Kugeln die in Zeitlupe um die Kurve fliegen, durch die Luft fliegende Autos und Helden wider Willen. Der Trailer zu "Wanted" hat alles, weswegen ich üblicherweise ins Kino gehe. Bei solchen Filmen bin ich allerdings vorsichtig geworden was Wochentag und Uhrzeit angeht. Am Wochenende sind die Abendvorstellungen zu meiden, möchte man nicht im Popcorn/Nachodunst zwischen ungewaschenen Dazwischenlaberern sitzen. 18 Uhr am Donnerstag erscheint mir ein guter Zeitpunkt. Das hat schon zweimal funktioniert und auch heute war der halb voll besetzte Saal von offensichtlich Gleichgesinnten okkupiert. Sehr angenehm!
Wenn es einen Loser gibt, dann ist es Wesley Gibson (James McAvoy). Er arbeitet als "Account Manager" in einer kleinen Firma und lässt sich aphatisch von seiner leicht übergewichtigen Chefin drangsalieren und von seiner Freundin Cathy (Kristen Hager) mit seinem besten Freund betrügen. Immer wenn Wesley wieder mal zur Sau gemacht wird, bekommt er Angstzustände, die er medikamentös bekämpft. Als er wieder mal an der Theke des Drogerieshops steht, um seine Ration Pillen abzuholen, spricht ihn unversehens die attraktive und direkte Fox (Angelina Jolie) an, eröffnet ihm dass er genau wie sein verstorben geglaubter Vater ein Profikiller ist und rettet ihn halsbrecherisch aus der genau in dem Augenblick entstehenden Schießerei.
Urplötzlich findet er sich mitten in einem Geheimbund wieder, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, von einem Orakel genannte Menschen zu liquidieren. Wesleys Vater war der Beste der Assasinen und vererbte seine Fähigkeiten auf den Sohn, wurde aber vom Abtrünigen Cross (Thomas Kretschmann) umgebracht - Wesleys Zielperson. Zumindest sofern er das äußerst brutale Training durchsteht. Wesley hält das alles für Blödsinn, besinnt sich nach einer Nacht aber und beginnt seine Ausbildung, immer das Ziel "Cross" vor Augen. Bis er dem Gegner Auge in Auge gegenüber steht ...
Ich habe weder "Wächter der Nacht" noch "Wächter des Tages" gesehen, die beiden Filme mit denen Timur Bekmambetov auf sich aufmerksam machte und - mindestens in Russland - große Erfolge feierte. Hier darf sich der Action-Profi also das erste Mal in Hollywood austoben. Was die Besetzung angeht ist ihm das Austoben schon mal gelungen. Angelina Jolie als toughe Killerin und Morgan Freeman gibt den nebulösen Bruderschafts-Chef. Keine kleinen Namen. James McAvoy sammelte seine Erfahrung bisher jedoch größtenteils in TV-Serien.
Die Geschichte des Vehikels ist ziemlich geradlinieg, dabei aber nicht in letzter Konsequenz vorhersehbar. Eine epische Handlung zu erwarten ist bei einem ausdrücklichen Action- und Effekt-Spektakel sicher nicht angebracht, aber die knapp unter 2 Stunden Laufzeit lassen sich im Kinosessel ohne Langeweile aushalten. Keine Twists, keine unerwarteten Wendungen, trotzdem leidlich spannend. Das lasse ich mir schon mal gefallen.
Auch hat McAvoy gerade in der Anfangsphase des Films wunderbar gespielt. So lakonisch gelangweilt und desillusioniert guckt sonst nur John Cusack. Leider hatte im Verlauf des Films immer weniger Gelegenheit zu glänzen, da die Effekte nach und nach die Herrschaft über die Leinwand übernahmen. Morgan Freeman kann eigentlich spielen was er will, er wird immer irgendwie ein distinguierter Herr sein. Das kann er sehr gut und deshalb mag ich ihn auch sehr gerne sehen. Leider passte dieses Gentleman-Getue nicht zum Rest der Bruderschaft und wirkte wie ein Bruch. Angelina Jolie kann auch spielen was sie will, sie kriegt es immmer gleich schlecht hin. Und genau deshalb mag ich sie auch nicht. Es reicht nicht, die straff verhüllte Oberweite ins Bild zu recken und einmal den tätowierten Rücken zu zeigen - zumindest mir nicht. Außerdem sollte sie sich dringend mal überlegen mit einem Arzt ihres Vertrauens zu reden, um ihre in einer Position verankerten Lippen etwas gängiger zu machen.
Die Effektsequenzen sind seit "Matrix" sattsam bekannt und werden hier routiniert eingesetzt. Dabei ist Timur Bekmambetov alles andere als zimperlich und zeigt gerne auch in Zeitlupe und Großaufnahme, wie ein Projektil von hinten durch den Schädel jagt um vorne ganz langsam die Haut der Stirn nach vorne zu drücken bevor der Knochen birst und den dahinter liegenden Kopfinhalt in der filmischen Umgebung zu verteilen. Ja, man wird erst ab 18 Jahren in den Kinosaal gelassen! Damit der Zuschauer aber nicht allzusehr besorgt ist ob der exzessiven Gewalt, gibt es für die Helden ein Wunderbad, in dem selbst die allerschlimmsten Verletzungen im Handumdrehen heilen. Tut gar nicht weh - 3 lives left.
Man kann Bekmambetov wirklich nicht vorwerfen, dass er sein Publikum intellektuell überfordert, aber dass er gleich derartig plump vorgeht und den Film wie ein nicht interaktives Videospiel inszeniert, hat mich etwas gestört. Die Anfangs aufgebaute Erwartungshandlung verpufft spätestens dann, wenn Wesley seinen ersten Auftrag erhält und ohne Nachfrage beginnt zu handeln. Überhaupt ist die Wandlung vom Depri zum Held ziemlich abrupt und für mich nicht nachvollziehbar von statten gegangen. Es scheint so, dass die Kritiker, die den "Wächter"-Filmen zwar technische Brillianz, aber inhaltliche Schwächen attestierten, Recht haben. Genauso sieht es auch bei "Wanted" aus.
Der Film hält, was der Trailer verspricht. Harte, gut inszenierte Action. Eine völlig uninspirierte Jolie und wenig Story. Die ist aus einem Trailer zumeist eh nicht zu erkennen, aber dass das dann so konsequent durchgezogen wird, ist in Anbetracht der restlichen Qualität des Films überraschend. Wer sich an detailierten Schießereien, dunklen Sets und geheimnisvollen Bruderschaften ergötzen möchte, ist mit "Wanted" bestens bedient.Aber bitte keinen Tiefgang erwarten.