Wochenende! Die Frau war müde und ich hatte Lust auf Kino. Da kann ich ja einen langen Tag im Lichtspielhaus einlegen. Eröffnen wollte ich den Abend mit dem zweiten Teil eines der kurzweiligsten Actionfilme der letzten Jahre. In "Crank" hetzt Jason Statham alias Chev Chelios durch die Stadt um seinem eigenen Mörder den gar aus zu machen. Das ist derart überdreht gelungen, dass ein zweiter Teil offensichtlich - wenn auch storytechnisch schwierig zu realisieren - war.
Chelios (Jason Statham) stürzt aus dem Hubschrauber und rast dem Boden entgegen. Die 1.000 Meter freien Fall beendet er mit einem unsanften Aufprall auf das Dach eines Autos, einem neckischen Abpraller und dem Aufschlag auf dem harten Asphalt. Doch sein Herz, dass schon dem Giftcocktail der chinesischen Triaden erfolgreich trotzte, hindert das nicht am weiter schlagen. Flugs wird der bewegungslose Chev in einen schwarzen Van gepackt und ab transportiert. Folgend bekommt Chev ziemlich bruchstückhaft mit, wie an ihm herumoperiert wird und er immer wieder weg dämmert. Offensichtlich er ein Opfer von Organhändlern geworden, die seinen überaus strapazierfähigen Körper im wahrsten Sinne des Wortes ausschlachten wollen. Als es an sein bestes Stück gehen soll, erwacht er aus der Lethargie und flüchtet auf gewohnt geradlinige Art.
Schnell kommt er dahinter, dass sein Herz von einem Triaden namens Johnny Vang (Art Hsu) gestohlen wurde um einem hochrangigen Boss zu neuem Leben zu verhelfen. Bei seiner Jagd auf Vang weicht die nervige Prostituierte Ria (Bai Ling) nicht von Chelios Seite, nachdem er sie mehr zufällig vor einem zudringlichen Freier gerettet hat. Das macht spätestens dann Probleme, als er seine Ex-Verlobte Eve (Amy Smart) trifft, die inzwischen in einem Striplokal tanzt. Zudem hat er ein nicht zu unterschätzendes Handicap: sein fehlendes Herz wurde durch eine elektrische Pumpe ersetzt und der Akku gibt langsam den Geist auf. Chelios hangelt sich von einer Stromquelle zur nächsten, um Vang auf den Fersen zu bleiben ...
Vor 2 1/2 Jahren haben die beiden Newcomer-Regisseure Mark Neveldine und Brian Taylor mit "Crank" einen aberwitzigen Film ohne Atempause geschaffen, der den Zuschauer förmlich in den Sessel gepresst hat. Und dazu noch ein Ende, dass man bei so einem Film gar nicht erwartet hätte: der Held stirbt. Schwierig, da noch einen zweiten Teil dran zu hängen. Aber wer sich solche Dinge im Kino traut, für den ist auch ein leicht modifizierter Cliffhanger kein Problem. Und der gelingt auch noch passabel, da wurde wohl im ersten Teil der letzte Blinzler Stathams einfach nur vergessen. Sei's drum, als Zuschauer freut man sich sowieso auf den Film und ist diesem kleinen Makel sehr wohl gesonnen.
"Crank 2" macht an exakt der gleichen Stelle weiter, an der sein Vorgänger aufhörte. Und er macht vor allen Dingen im gleichen Tempo weiter. Harte Schnitte, eine wackelige Handkamera, die aber im Gegensatz zu manch anderem Film überhaupt nicht stört, sondern in diesem Fall ganz einfach das perfekte Mittel zur Aufnahme des Filmmaterials ist. Wie soll man solche Bewegungen sonst zeigen? Gefilmt ist die Hochspannungs-Fortsetzung ausgezeichnet. Das sehr körnige Bild, die erdigen Farben und die heruntergekommene Szenerie passen perfekt zum Geschehen.
Jason Statham ist naturgemäß omnipräsent. Chev Chelios ist der um den es geht und es gibt kaum eine Einstellung ohne ihn. Konsequenterweise sind einige Sequenzen aus der Ego-Sicht gefilmt, was dem Zuschauer ein paar ziemlich wilde Szenen beschert. Auf die Logik und die Physik kann man dabei großzügig verzichten. Induktive Aufladung der Akkus durch die Haut durch Reibung an alten Damen? Geschenkt! Hochspannungsleitungen mit den bloßen Händen kurzschließen? Ja bitte! Ganzkörper-Tourette? Neveldine und Taylor scheinen Ideen im Überfluss zu haben und überfordern den Kinobesucher fast mit dem Tempo.
Dabei sollte man zudem nicht zart besaitet sein. War der erste Teil schon recht kompromißlos, wird hier noch deutlich blutiger agiert. Pistolen, Pumpguns, Macheten ... es wird gehackt und geballert was das Zeug hält. Zusätzlich vergnügen sich Chev und Eve äußerst freizügig auf offener Straße. Ich weiß gerade nicht, welche Freigabe der Film bekommen hat, aber "ab 16" dürfte das nicht gewesen sein. Und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob die Version nicht sogar geschnitten war. Angesichts der Laufzeit von nur 85 Minuten, den fliegenden Gliedmaßen und der vielen nackten Haut drängt sich der Verdacht auf.
Darstellerisch erwartet man bei so einen Feuerwerk nichts und bekommt doch ordentliche Leistungen. Statham gefällt als stoischer Draufgänger, Amy Smart hat gegenüber dem ersten Teil etwas mehr Feuer verpasst bekommen und Sidekick Corey Haim mit Haircrime war für so einen Kurzauftritt genauso amüsant wie der notgeile Poon Dong, den David Carradine geben durfte. Lediglich Bai Ling hat mir nicht gefallen. Ich mag ihre Auftritte so nicht und auch hier war ihre Rolle viel zu überdreht und schlicht nervig. Ob das Absicht war oder auf ihr Konto geht ... keine Ahnung. War überflüssig.
Ich hatte mich auf den Film gefreut, die Erwartungen aber weit unten angesetzt. Man weiß ja, was gerade in dem Genre bei Fortsetzungen oft an der Tagesordnung ist. Aber schon nach ein paar Minuten waren die Mundwinkel ganz weit oben - und das nicht nur bei mir. Offensichtlich hatte auch das restliche Publikum ausnehmend viel Spaß an dem Film. Ein großes Lob den Regisseuren, die mit überbordender Ideenvielfalt quer durch das Genre zitieren, parodieren und persiflieren. Klasse Kinoabend!