30.06.2001
Haus der Erlebnisse (Ahlbeck / Usedom)
17419 Seebad Ahlbeck
038378 – 24720
Von auĂen hat das GebĂ€ude den einladenden Charme einer verkommenen Schulturnhalle. Die Seitenfenster sind in einem freundlichen mattschwarz ohne die Zuhilfenahme von schĂŒtzendem Kreppband mit dem Pinsel bemalt worden und an der Fassade wurde wahrscheinlich aus nostalgischen GrĂŒnden der Dreck und das lose Putzwerk der letzten 20 Jahre nicht entfernt.
Wie dem auch sei, der Kartenverkauf in dem mit Pappaufstellern und Postern aktuellerer Natur reichlich dekorierten Foyer wurde zĂŒgig und zufriedenstellend abgewickelt. Auf eine Platzreservierung wird hier jovial verzichtet: “Sie dĂŒrfen sich Ihren Platz spĂ€ter selbst aussuchen!”. Super, das freut mich doch. Bei soviel Freundlichkeit ist natĂŒrlich eine computerunterstĂŒtzte Kasse ĂŒberflĂŒssig und ich war dankbar fĂŒr die handschriftliche Notiz der Anfangszeit des Films auf der RĂŒckseite der Karte.
Als wir dann ungefĂ€hr 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung in den Saal gingen, strahlte ich zunĂ€chst ob des unglaublich riesigen Flures mit den Blumenrabatten – bis mir klar wurde, daĂ dies der Kinosaal war. Meine aufkeimende, panische Vermutung bestĂ€tigte sich recht schnell, als wir um die BlumenkĂŒbel gingen und links tatsĂ€chlich eine dunkle Spiegelbar zu erblicken war: Ja, wir hatten uns im Saal geirrt und sind aus Versehen in die Discothek gegangen. Zwei Schritte spĂ€ter wurde das Schreckliche wahr, die Discothek war das Kino.
Aus einer, aus der Entfernung bequem wirkenden, halbrunden Ledergarnitur mit passend abgewetztem Serviertisch guckten uns die beiden bisher anwesenden anderen Kinobesucher erwartungsvoll an. Sprachlos lieĂ ich mich in das zweite, noch freie, halbrunde Leder zerren und versuchte den Kiefer wieder hochzuklappen, was mir aufgrund der edelstĂ€hlernen TanzflĂ€che direkt vor dem Sofa recht schwer fiel. Hinter der mit Anti-Stolperlichtern, die auch wĂ€hrend der Vorstellung nichts von Ihrer Leuchtkraft einbĂŒĂten, reich verzierten TanzflĂ€che tĂŒrmten sich zwei Boxenboliden auf, die an der Oberkante mit der BĂŒhne fĂŒr die ortsansĂ€ssigen RavemĂ€dchen abschlossen.
Die Leinwand wurde von einem nicht nĂ€her zu definierenden Vorhang, der in der gleichen Farbe gehalten war, wie die mit dem Pinsel bemalten AuĂenfenster, verdeckt. Ja, auch hier lag ich richtig mit meiner Vermutung, daĂ man die BĂŒhne und die Oberkante der Boxen spĂ€ter im Bild haben wĂŒrde – aber wirklich nur ein ganz klein biĂchen! Ich probierte den Sitzkomfort der ebenfalls in dieser Discothek verbauten Kinobestuhlung aus, entschied mich aber doch fĂŒr die Ledercouch in der ersten Reihe. Von noch weiter hinten, wĂ€re mir das Bild zu klein geworden.
Hey, und dann kam auch schon der Campari-O direkt an unseren Tisch – Super! Im DĂ€mmerlicht vor der Vorstellung versuchte ich an der obligatorischen Spiegelkugel vorbei irgendwelche Surroundboxen an den SeitenwĂ€nden zu entdecken … was mir nach ca. 15 Minuten auch gelang. Gehört habe ich sie wĂ€hrend des Films nicht. Und das obwohl drauĂen noch groĂ mit “Dolby Surround SR” geworben wurde. Wie gemein. Ăberhaupt war der Ton so ziemlich das Mieseste, was ich je in einem Kino gehört habe. Kein Wunder, eine Disco ist bewuĂt nicht sonderlich bedĂ€mpft und ein Kino ist bewuĂt bedĂ€mpft.
Leider konnte man durch diese Hellhörigkeit nicht nur den Ton von der Leinwand schön hallen hören, sondern auch die pubertierenden Kiddies – die mit den nachrĂŒckenden Dorfschicksen schon vor Filmbeginn die Handynummern getauscht hatten – wie sie sich ĂŒber die erhaltenen SMS unterhielten. Wenigstens etwas ist wie zu Hause.
Bleiben noch die Toiletten zu erwÀhnen, die ich spÀter auf Nachfrage im Keller fand. Netterweise hat mir der Kassierer auch gesagt, wo ich das Licht zu den Katakomben einschalten konnte, sonst hÀtte ich womöglich noch die dunkle Garderobe erwischt, der muffige Gestank war dort der gleiche wie auf dem Abort.
Wahrhaftig ein “Haus der Erlebnisse”. Dicke Empfehlung und ein Must-See!