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Urlaub vom Leben

07.02.2006

Kritik von O. Materne

Nach dem Film benötigt der Zuschauer erst einmal Urlaub, und zwar nicht vom Leben, sondern Urlaub vom "Urlaub vom Leben". Dabei klingt die Inhaltsangabe noch so interessant:

Der biedere Bankmensch Köster geht seiner Frau und ihren gemeinsamen zwei Kindern am liebsten aus dem Weg, lebt für seinen langweiligen Beruf und joggt gerne. Weitere Freizeitbeschäftigungen kennt er nicht. Als er eines Tages Sonderurlaub verschrieben bekommt, verschweigt er diese Tatsache seiner Familie, freundet sich mit einer Taxifahrerin an und wird zum Nachdenken über sein Leben angeregt.

Angeblich soll der Streifen eine Tragikomödie sein. Zu heulen gibt es allerdings nichts (von Regie, Drehbuch, Schauspielerleistungen und Musik abgesehen), zum Lachen noch weniger. Wie soll man das hier nennen? Vielleicht: Die ernstere Version des kauzigen Al Bundy oder besser "American Beauty" - letzterer von der Kritik stark überschätzt, wie sich auch ja auch kaum jemand traute, "Urlaub vom Leben" zu verreißen. Auch der eigenartige Laienfilm "Schulze gets the blues" lässt heftig grüßen. Verstehen Sie diese Zeilen nicht falsch - Schreiber dieser Zeilen weiß ruhige und ernste Filme sehr zu schätzen, wenn sie einen faszinieren können.

Geht bei "American Beauty" die Entwicklung des Helden zu rasch, so wird sie hier zu langatmig geschildert. Wenn man sich schon dem naturgemäß spannungsarmen Alltag widmen will, sollte man darauf achten, dass man Schauspieler verpflichtet, die von den kindlichen Darstellern nicht wie hier an die Wand gespielt werden. Was man ja auch als positiven Zug des Films erwähnen könnte - dass die beiden Kösters junior ihre Sache gar nicht schlecht machen.

Abschließend zum Thema "American beauty" sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Held vom "Urlaub vom Leben" ebenfalls einen Treuebruch seiner Frau beobachten darf. Auch in anderen Bereichen stand der große Bruder aus Amerika Pate - auch hier wird der Held von einem Nachbarn genervt, auch hier pubertiert die Tochter des Helden vor sich hin, auch hier (Spoiler!) schmeißt der Held seine Arbeit hin (aber erst am Schluss - was der Zuschauer als die große Pointe begreifen darf). Vielleicht hätte man besser dran getan, sich den viel gelungeneren "Garden State" (mit ähnlichem Thema) zum Vorbild zu nehmen.

Jedenfalls nuscheln die Darsteller vor sich hin, die lustige Taxifahrerin darf einen extrem geschmacklosen Gag mit ihrem Auge anbringen (der nun wirklich überhaupt nicht zum Stil der Verfilmung passt) und besonders der Hauptdarsteller vollbringt die Meisterleistung, völlige Langeweile auszustrahlen, was ja auch seine Aufgabe sein soll; der Held ist langweilig und gelangweilt zugleich. Natürlich erwartet der geneigte Betrachter keine Action oder Mainstream. Aber wenn der Alltag das große Thema zu sein hat und wenn trotzdem der Film noch bei aller erzwungenen - und im Prinzip begrüßenswerten - Ernsthaftigkeit das erreichen will, was ein Film kann und soll, nämlich Unterhaltung zu bringen, dann müssten zumindest einzelne Charaktere über etwas farbenfrohere Ausstrahlung verfügen. Wie es beispielsweise bei Dresens Filmen der Fall ist. Sonst kann man ja gleich einfach nur Leute in der U-Bahn beobachten.

Womit wir beim Thema Nebenfiguren wären. Vielleicht gibt es hier eine kleine überraschende Wendung? Wem eine mürrische Kindergärtnerin oder ein aufdringlicher Hundebesitzer genügen, bitte sehr. Im Ernst - kein Charakter des Films schafft es, Sympathie oder Interesse zu erzeugen.

In Inhaltsangaben zu dieser Verfilmung einer sehr jungen Regisseurin heißt es oft, Köster entdecke die Schönheit der Stadt völlig neu und damit auch sich selbst. Geht er in den Zoo? In einen schönen Park? Kommt er mit Menschen ins Gespräch, kommt es zu einer Liebesbeziehung mit der Taxifahrerin? Beginnt er, sich zu amüsieren? Aber nicht doch. Er schaut Fernsehen mit der kleinen Freundin seiner Tochter und lernt das Joggen neu. Seine eigenen Kinder dagegen interessieren ihn überhaupt nicht. Die wenigen Konsequenzen, die Köster am Ende zieht, werden nur angedeutet und wirken sehr dünn. Dass Köster und seine Gattin sich auseinander gelebt haben, wird dem Zuschauer ja von Anfang an deutlich vor Augen geführt. So kann es auch keine Entwicklung geben, nur noch Erkenntnis. Späte Erkenntnis.

Als Enttäuschung kommt auch der Aufhänger des Films daher, die sich anbahnende Freundschaft zwischen Köster und der flotten Taxifahrerin, was als keusche Episode mit, immerhin, einer kleinen Pointe ihr Ende findet. Auch wird nicht klar, was der gute Köster denn nun eigentlich vom Leben erwartet, als er zwischen den Zeilen oder besser zwischen den Szenen seine Erleuchtung findet. Er hat eine selbstbewusste Frau, zwei Kinder, sein Haus, seinen Sport und eine sichere Arbeit, bei der er mit Menschen zu tun hat - ja, was will er denn noch...? Vielleicht liegt das Problem nicht an der bösen Umwelt, sondern eher in Kösters tapsiger und langweiliger Ausstrahlung auf andere und auf sich selbst und in der Tatsache, dass er selbst nicht weiß, was er will. Im pensionsreifen Alter den "Fänger im Roggen" in sich zu entdecken, mag interessant klingen, ist es aber im vorliegenden Fall nicht wirklich.

Eine hübsche Szene gibt es immerhin auch noch zu verzeichnen, als ein entlarvendes Familienfoto gemacht wird: Alle Mitglieder der Familie Köster blicken ins Leere und/oder verziehen mürrisch das Gesicht. Das hat einen skurillen Reiz.

Der leise Stil soll Nachdenklichkeit erzeugen und sorgt doch nur für Langeweile. Trotz oder wegen seines gut gemeinten Themas dürfen wir in "Urlaub vom Leben" den ersten großen Flop des Jahres 2006 begrüßen.

3 von 10

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Diese Kritik ist die Meinung von O. Materne.

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