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Kino - dafür werden Filme gemacht

Tödliches Vertrauen

"Residenz" Bückeburg (06.02.2002)

Kritik von Johannes Pietsch

Seit seinem Comeback vor acht Jahren konnte John Travolta vor allem in seinen ambivalenten, zwiespältigen und hintergründigen Rollen überzeugen. Als über Hamburger philosophierender Hitman Vincent Vega in "Pulp Fiction" erlangte er Kultstatus, und in John Woos "Face/off" gelang es ihm, zwei gänzlich unterschiedliche Figuren in ein und derselben menschlichen Hülle Gestalt zu geben. Auch rücksichtslosen Schurkenfiguren wie in "Broken Arrow" und zuletzt in "Password Swordfish" verlieh er interessantes Profil. Seine Auftritte in unreflektiert guten Rollen gerieten dagegen häufig farblos ("General's Daughter", "Civil Action") wenn nicht gar peinlich ("Phenomenon"). Sein neuster Streifen "Domestic Disturbance" ("Tödliches Vertrauen") macht da leider keine Ausnahme.

Die Demaskierung des Bösen hinter der Fassade der (fast) heilen Welt der amerikanischen Familie ist als Motiv derartig ausgereizt, angefangen von Hitchcock über "Stepfather" bis zum "Glass House", dass es nun wirklich einiger origineller Regie- und Drehbucheinfälle bedurft hätte, um dem Sujet noch ein wenig unterhaltsame Aspekte abzuringen. Satt dessen entwarfen Regisseur Harold Becker, dem noch 1989 mit Al Pacino und Ellen Barkin der stimmungsvolle Thriller "Sea of love" gelang, und seine Drehbuchautoren Lewis Colick und Gary Drucker ein Plotkonstrukt, das außer abgestandenen Klischees aus der Mottenkiste des Thrillerkinos und einer wirklich kaum mehr als bieder zu nennenden Inszenierung wirklich nichts zu bieten hat.

Da ist einmal John Travolta als herzensguter, treusorgender Papa mit triefäugigem Hundeblick und bootsbauender Kleinindustrie, der sich auch nach der Scheidung mit seiner attraktiven Ex-Frau Susan (Teri Polo) so blendend versteht, dass bereits die (zeitlich vor der Handlung des Films liegende) Trennung völlig unglaubwürdig erscheint. Travoltas Sohnemann Danny hat trotz eines notorischen Hangs zum Lügen, zum Schwänzen des Basketballtrainings und gelegentlicher Aufenthalte auf dem örtlichen Polizeirevier eine blendende Sozialprognose. Und dass Susans neue Flamme Rick Barnes (Vince Vaughn) trotz gebügelter Oberhemden und schnieker Krawatten in Wahrheit ein hinterhältiges Ekel mit krimineller Vergangenheit ist, wird dem Zuschauer bereits beim ersten Anblick seiner hämisch grienenden Visage eingehämmert und nicht erst, als ein ehemaliger Räubergeselle (Steve Buscemi) auf der Hochzeit mit Susan aufkreuzt, die Sonnebrille zurecht rückt und hinterhältig guckt.

Natürlich ist es der Bengel, der alsbald den wahren geistig-moralischen Background seines Stiefvaters durchschaut, natürlich glaubt ihm das der leibliche Erzeuger sofort, die übrigen knapp sechs Milliarden Angehörigen der Menschheit einschließlich der örtlichen Polizei dagegen nicht, natürlich ist jetzt das Leben des Sprösslings und seiner Mama bedroht, und natürlich muß der mit sorgenvoller Mine bootsbauende und Boote bepinselnde Papa - von der Polizei im Stich gelassen - auf eigene Faust die Wahrheit aufdecken sowie Sohn, Ex-Frau und Rest-Menschheit vor Vince Vaughn und seinem fiesem Gesichtsausdruck retten.

Auch wenn das Thema vom bösen Schwiegervater noch so ausgelutscht ist, ein versierter Regisseur in Kombination mit einem einfallsreichen Drehbuch und ein bisschen Filmblut hätte daraus vielleicht noch etwas leidlich Spannendes zaubern können. Nicht jedoch Harold Becker: Der konstruiert "Tödliches Vertrauen" so banal und vorhersehbar wie eine Gymnastikstunde der örtlichen Osteoporose-Turngruppe.

Dabei sind die Ansatzpunkte mehr als offenkundig: Wie ambivalent hätte man eine Figur wie den angeblichen Lebe- und Geschäftsmann Rick Barnes anlegen können, um wie vieles spannender hätte die Handlung ausfallen können, hätte man den Zuschauer eine Zeit lang über die wahren Verhältnisse im Unklaren gelassen. Um wie vieles größer hätte man Travoltas Verzweiflung, seinen Absturz während seines zunächst völlig vergeblichen Anrennens gegen die Windmühlenflügel des Rick Barnes ausgestalten und dadurch auch diesen Charakter ins Zwielicht rücken können. Aber nein, Harold Becker betreibt statt dessen mit seiner Figurenkonstellation Schwarz-Weiß-Malerei auf dem Niveau eines großen Sat1-TV-Romans.

Die Fronten zwischen dem väterlich-fürsorglichen Gutmenschen Travolta und dem als mondänen Businessman auftretenden, aber für den Zuschauer sofort als solcher erkennbaren Oberschurken Vaughn (wir wussten doch schon immer: Geschäftsleute sind doch alles Verbrecher!) sind von Anfang genauso geklärt wie der gesamte Handlungsverlauf inklusive des lahmen Showdowns vorhersehbar ist. Selbst hier wagt sich Becker nicht hinter den Scheuklappen der selbstgesteckten Film-Netiquette hervor und inszeniert das Finale so aseptisch blut- und spannungsarm wie eine bundesdeutsche TV-Vorabendserie.

Nicht eine einzige originelle Wendung weist die Handlung von "Tödliches Vertrauen" auf. Als hätten Becker und sein Drehbuchteam ein paar erfolgversprechende Versatzstücke aus dem Baukasten für den kleinen Thriller-Regisseur lose zusammengewürfelt, schleppt sich die Handlung von einem Klischee zum nächsten. Das gilt genauso für die Darsteller: Travolta uninteressant ölig und nölig, Vince Vaughn desinteressiert, Teri Polo noch farbloser als in "Meet the parents". Da kann auch der kleine Gastauftritt von Charakterkopf Steve Buscemi nichts mehr ausrichten.

"Grundsolide" findet man häufig als höfliche Beschreibung solcher Thrillerware. "Tödliches Vertrauen" ist von grundsolider Langeweile.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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