Sie trampeln, schnauben und sie beißen wieder: Zum dritten Mal lässt Steven Spielberg seine prähistorischen Riesenechsen nach kreischendem zweibeinigem Futter schnappen. Diesmal zog sich das Regie-Genie auf die Rolle eines ausführenden Produzenten zurück und gab dafür "Jumanji"-Regisseur Joe Johnston die Chance, mit den Big Boys im Jurassic Park zu spielen. Und der Wechsel auf dem Regiestuhl ist dem Film deutlich anzumerken: "Jurassic Park 3" ist schneller und rasanter, aber auch wesentlich oberflächlicher als die beiden Vorgänger geraten. Die Story gibt sich noch simpler im Gesamtentwurf, und im Detail klaffen Lücken und Ungereimtheiten für eine ganze Saurierherde. Charaktertiefe und Konfliktdramatik sind reine Makulatur. Dabei waren so namhafte Drehbuchschreiber wie Peter Buchman, Alexander Payne und Jim Taylor am Werk, dafür fehlte diesmal eine Romanvorlage Michael Chrichtons. "Jurassic Park" reiht sich damit nahtlos ein in die Serie von Filmen, die immer größeren Aufwand in aufwendige Spezialeffekte investieren, denen der Gehalt der Story umgekehrt proportional gegenüber steht. "Etwas hat überlebt", das war anno 1997 Jeff Goldblum, der zusammen mit Julianne Moore ein zweites Mal Bekanntschaft mit den Dentagard-weißen Beißerchen von T-Rex und Velociraptoren machen durfte. Diesmal reaktivierte das Dino-Franchise-Unternehmen Sam Neill, der als darstellerisch völlig unterforderter Paläontologe Dr. Alan Grant erneut beweisen kann, dass er einfach ins Charakterfach gehört. Die wunderbare Laura Dern, vor acht Jahren noch Loving Interest des Saurierforschers Grant, bleibt diesmal leider, leider, leider auf zwei winzige Cameo-Auftritte beschränkt. Die übrigen Darsteller sind nackte Staffage mit den Kernaufgaben schreien, wegrennen und gefressen werden. Bildete "Lost World" noch eine weitgehend eigenständige Episode der Serie, so ist der dritte Teil inhaltlich kaum mehr als eine Light-Version des zweiten. Höher, schneller, spektakulärer lautete das Kernprinzip in "Lost World" von 1997, und: Mehr Dinosaurier fressen mehr Menschen. Der zweite Teil fiel damit auch erheblich düsterer und blutrünstiger aus als der recht familienfreundliche erste von 1993. Im dritten Teil ist es praktisch die gleiche Plot-Konstellation wie im Vorgänger: Eine Expedition strandet auf der von Urzeitgiganten bevölkerten Isla Sorna bei Costa Rica, und die zur Dinosaurier-Safari aufgebrochenen Großwildjäger (zahlenmäßig nur ein Bruchteil gegenüber den Horden im zweiten Teil) müssen wieder einmal schmerzlich erkennen, von den ruppigen Reptilien zum H'ors Doeuvre erkoren worden zu sein. "Jurassic Park III" ist weniger mit zäher Wissenschaft verbrämtes Famlien-Entertainment als der erste Teil und weniger Big-Budget-Abenteuer als Teil zwei, sondern handfeste, krachlederne Echsen-Action, bisweilen sogar mit einem fetten Hang zum Trash. Präsentierte "Lost World" seine Großwildjäger, die das urweltliche Biotop der Isla Sorna bedrohten, noch als düstere Helden im Ambiente von Howard Hawks "Hatari", so kommen sie jetzt als Schießbudenfiguren mit schwarzen Sonnenbrillen, versteinerten Mafiosi-Mienen und Großkaliber-Waffen daher, mit denen sich komplette Flugzeuge in ihre Einzelteile zerlegen lassen. "Woher kennen Sie sich?" fragt Sam Neill einmal einen der Pappkameraden. "Aus der Kirchengemeinde." Alles klar? Der Beweggrund für ihre Großwildjagd wird dann auch folgerichtig gar nicht erst erklärt. Trotzdem scheitern sie natürlich genauso wie die Jäger in Teil zwei vollständig oder in Teilen, die unappetitlich durch den Dschungel verstreut werden. Dafür zeichnet diesmal nicht die T-Rex & Raptor GmbH & Co. KG verantwortlich, sondern der mit einem markanten Zackenkamm bewehrte Spinosaurus, der für den Film ein klein wenig größer und gefährlicher gemacht wurde, als er in der "Enzyklopädie der prähistorischen Tierwelt" zu finden ist. Joe Johnston hält sich nicht lange mit einer umständlichen Exposition, dem Aufbau von Suspense und sich langsam steigernder Spannung auf: Zehn Minuten Einleitung sind genug, dann ist Achterbahn-Action angesagt. Die Animation der Dinosaurier präsentiert den State of the art der modernen Tricktechnik. So grandios die Urweltriesen von FX-Veteran Stan Winston auch in Szene gesetzt werden, so gewaltig und atemberaubend die Angriffe von Raptoren, Spinosauriern und T-Rexen die Leinwand erzittern lassen, die Action-Szenen in "Jurassic Park 3" bleiben auf Grund ihrer Schnelligkeit flüchtig und ohne großen Erinnerungswert. Der Schrecken bricht zumeist überfallartig über die Filmfiguren der Gattung Homo Sapiens her und ist nicht selten auch schon wieder vorbei, wenn der Zuschauer gerade das Erscheinen dieses oder jenes vorzeitlichen Fleischfressers realisiert hat. In "Jurassic Park" von 1993 gab es eine unsterbliche Szene, in der ein hungriger T-Rex einen fahrenden Jeep verfolgte. "Lost World" variierte diese Szene (äußerst ironisch!) und machte aus dem Jeep einen Omnibus, der von einer gramgebeutelten T-Rex-Mama auf der Suche nach seinem Jungen durch San Diego verfolgt wurde. Solcher Over-the-top-thrill der Marke Spielberg fehlt hier völlig. "Jurassic Park 3" ist Fast Food Action im Stil eines (sehr gut gemachten) B-Pictures. In keiner Szene lässt Joe Johnston einen Zweifel daran, dass in seinem prähistorischen Plot, der sich glücklicherweise nur sehr selten wirklich ernst nimmt, die Saurier die einzig wahren Hauptfiguren sind. Indem sie die menschlichen Invasoren mit Urgewalt aus ihrem Lebensraum vertreiben, schaffen sie nicht nur die Möglichkeit eines weiteren Sequels. Sie rücken auch die Perspektive zurecht: Auf ihrer Insel ist nicht das Reptil der Anachronismus, sondern der Mensch. |
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.