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Cloverfield

Kritik von Jürgen Dick

Es macht immer wieder Vergnügen, Endzeitängste in amerikanischen Filmen mitzuerleben. Komischerweise laufen viele dieser Filme unter der Rubrik „Science-Fiction“. Eine Bezeichnung, die falscher nicht geht.

Was man erlebt, wenn man einen Film wie „Cloverfield“ ansieht, ist im Grunde eine Reise durch eine psychotische innere Höllenwelt. Sozusagen ein drastisch inszeniertes Psycho-Drama. Die äußeren Bilder stehen quasi als Stellvertreter, als Metaphern, für die inneren Ängste des Betrachters.

Und wie wunderbar diese Inszenierung in „Cloverfield“ daherkommt! Ein wolkenkratzerhohes, unverletzbares Monstrum murkst sich durch New York und haut dabei die Skyline in Schutt und Asche. Eine Gruppe von jungen, schönen Leuten, die ihr Leben allesamt ganz anders geplant und dessen Früchte noch kurz zuvor auf einer netten Party prächtig zu feiern gewusst hatten, sieht sich praktisch von einer Minute auf die andere in einen wirren Taumel versetzt, in einen Abwärtsstrudel des Nicht-mehr-Erträglichen - es geht nur noch ums nackte Überleben gegen entsetzliche Spinnenmonsterparasiten und natürlich immer wieder das Monstrum, das, eigentlich im Film nur selten sichtbar, aus irgendeinem Grund von nackter Zerstörungswut beseelt ist und immer und immer weiter die Stadt verwüstet, des Präsidenten Truppen zum Trotz.

Wie viele zeitgeistige Ängste kommen da in einem Film zusammen? Das Monster ist auf den ersten Blick eine Art Godzilla, aber es sieht gegenüber diesem Altbekannten, immerhin ästhetisch Gestylten, irgendwie verrenkt aus, wie eine verkorkste Riesenratte etwa, so daß man nach einiger Zeit irgendeinen unterirdisch fehlgeschlagenen Genversuch assoziiert, dem das ganze Malheur zugrunde liegen muss. Wahrscheinlich vom CIA finanziert, natürlich. Aber es ist nicht so, daß der Film uns in dieser Hinsicht irgendeine Erklärung nahelegt. Vielmehr sind wir, was die Suche nach Grund und Sinn angeht, in diesem Film ganz und gar unseren Phantasien über-, und damit: alleine gelassen. Es ist in dieser Hinsicht ein grausamer Film.

Das Monstrum tritt andererseits auch auf wie ein Selbstmordattentäter, dem anscheinend egal ist, was nach ihm kommt – Hauptsache: Zerstören. Manche Bilder sollen wohl mit voller Absicht an die Szenen während 9/11 erinnern, als Staubwolken durch New Yorker Straßen quollen und die Passanten in die Läden flüchten mussten.

Und damit der Zuschauer garantiert auf seine Horror-Kosten kommt, ist der gesamte Film dazu noch aus der Perspektive einer einzigen Person aufgenommen – genauer: aus der Perspektive einer Handkamera. Das bedeutet, daß man sich als Zuschauer vom Anfang bis zum Ende als die Person durch die Handlung bewegt, die die Kamera trägt. Atemlos gehetzt, gejagt, auf der Suche nach Rettung und Erklärung, und immer wieder verwackelte, verrissene Sequenzen, durch die man mit durch muss. Kurz: man IST diese Person, die da eine Kamera mit durchs Inferno führt.

Welche Dynamik auf diese Weise entsteht! Es ist einer jener Filme, aus denen man erst beim zweiten Mal Anschauen so richtig seinen Gewinn zieht. Wenn man endlich auch auf „zufällige“ Details achten kann, die einem ja während der ersten rasanten Achterbahnfahrt zunächst einmal entgehen mussten. Hat man doch beim ersten Ansehen in die atemberaubende Geschwindigkeit dieses Films eintauchen MÜSSEN, um sich danach den Kopf freizuschütteln und zu sagen: Nochmal!

Jedenfalls: Völlige, uneingeschränkte EMPFEHLUNG für diesen Film. So macht das Urängstebewältigen Spaß!

Diese Kritik ist die Meinung von Jürgen Dick.
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