An Amerikas Pazifikstränden gibt es das wirklich: Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Und nie war diese Szene lebendiger als Ende der 60er Jahre in Kalifornien. Diese Welt betritt George Jung, das Vorbild seines konservativen Vaters vor Augen, der ehrlich schuftete und dennoch pleite ging. George macht es anders. Eigentlich ist er eher ein netter Kerl, durchaus gutmütig und harmoniebedürftig, aber er hat auch eine Nase für gute Geschäfte, und die konnte man an besagten Stränden mit Gras machen. Zusammen mit seiner Freundin Barbara und dem Hinterzimmergastronom Derek zieht er einen kleinen Marihuana-Handel auf. Und die niedrigen Straßenumsätze reichen ihm schnell nicht mehr, also wird das Zeug gleich säckeweise direkt in Mexiko eingekauft und mit einem gestohlenen Flugzeug über die Grenze geschmuggelt. Dass das ganze früher oder später ein böses Ende nehmen muss, ahnen wir nicht nur. George bekommt es mit der Polizei zu tun, wird flüchtig. Seine Freundin stirbt an einem Tumor, während er selber eingebuchtet wird. Alles könnte noch die richtige Wende nehmen, würde er nicht im Knast Diego kennenlernen, der ihn später mit dem berühmten kolumbianischen Drogenbaron Escobar zusammenbringt. George ist jetzt nicht nur ein kleiner Fisch, er handelt jetzt mit Bergen von Schnee, die sich schnell in noch größere Berge von Geld verwandeln. Und das kann erst recht nicht gutgehen. Sehr stilecht wird diese Karriere durch Jahrzehnte der amerikanischen Geschichte erzählt. Georges Frisuren werden passend zum Soundtrack der Zeit immer entsetzlicher, die Sonnenbrillen immer cooler und das Vorstrafenregister immer länger. Obwohl man Johnny Depp mal wieder ein ausgezeichnetes Spiel attestieren muss, bleibt dieses kriminelle Gegenstück zu "Forrest Gump" dennoch seltsam farblos. Zu vorhersehbar sind die Schicksalschläge, und wenn sie eintreten, werden Sie in der Handlung abgehakt wie eine Checkliste. Der Zuschauer verfolgt ein Geschehen, ohne dass besondere Spannung entsteht, ohne dass er mit George fühlen oder leiden könnte. Das Drehbuch hätte ganz sicher Raum für eine andere Inszenierung geboten, aber es wurde leider zu viel Wert auf epische Länge und Production Design gelegt, zu wenig Wert darauf, dass wir im Kino entweder Special-Effekte und Action-Orgien sehen wollen oder aber eines: wahre Menschen! Dass es stellenweise dennoch magische Momente in "Blow" gibt, ist wohl weniger das Verdienst von Regisseur Ted Demme, als von Johnny Depp, der es noch immer versteht, 1000 Dialgozeilen in einen Blick zu legen. Weil man nicht drumrum kommt: "Uns Franka" hat hier ihre erste richtige Hollywood-Rolle. Franka Potente zeigt einmal mehr, dass ihre Wandelbarkeit keineswegs nur vom Schminktisch stammt. Gerade Sie haucht dem Film im ersten Drittel ziemlich viel Menschlichkeit ein. Leider ist ihre Rolle zu sehr auf die im großen und ganzen wenig beteiligte Gefährtin reduziert, sodass sie wenig Gelegenheit bekommt, zu zeigen, was sie kann. Eines kann sie jedenfalls nicht: Ihr eigenes Englisch gut synchronisieren. Leider ist gerade ihre eigene Synchro meilenweit von dem entfernt, was man im Bild sehen kann. Schade. "Blow" basiert übrigens auf einer wahren Geschichte. Der echte George Jung hat den Film im Gefängnis gesehen und - wenn man den Berichten Glauben schenken kann - hemmungslos geweint.
USA 2001, 124 min |
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Diese Kritik ist die Meinung von Enno Park.