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Batman Begins

"Residenz" Bückeburg (15.06.2005)

Kritik von Johannes Pietsch

Welcome back, Batman! Acht Jahre, nachdem Joel Schumacher den dunklen Ritter von Gotham City zur Witzfigur im schwulen Nippelkostüm degradierte und mit "Batman Forever" (1995) und "Batman and Robin" (1997) den Mythos zu plastik-bonbonfarbenem, knallig lärmenden Nichts vaporisierte, gelingt dem Helden mit der Fledermausohrenmaske eine triumphale Wiederauferstehung. In "Batman begins" erzählt Christopher Nolan von der Jugend des Milliardärssohns Bruce Wayne und von seinem Werdegang zum maskierten Nachtmahr aller Verbrecher von Gotham City. Dem einstigen Independant-Filmer gelang mit dieser Rückbesinnung eine ungemein düstere, dramatische und eindrucksvoll visualisierte Adaption, die den Comic-Heroen wie Phoenix aus der Asche des trashig-poppigen, quietschbunten Schumacher-Desasters auferstehen läßt.

Nicht nur inhaltlich ist Batman damit zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Auch bei "Batman" von 1989 holte man mit Tim Burton einen Independant-Regisseur und erklärten Querkopf auf den Chefsessel, dem es gelang, aus der Comicvorlage eine visionär-düstere Phantasiewelt zu entwerfen und Schauer und Ironie genuin romantisch miteinander zu verschmelzen. 16 Jahre später nimmt sich mit Christopher Nolan ein Regisseur des Helden im Fledermauskostüm an, auf dessen Konto unter anderem der geniale, weil rückwärts erzählte Thriller "Memento" geht.

Erzählerisch bewegt sich "Batman begins" ähnlich wie die jüngere "Star Wars"-Trilogie vor die Handlung älterer Erfolgsfilme, somit also auch vor Tim Burtons "Batman" aus dem Jahr 1989. Seit Bob Kane den Fledermausmann im Mai 1939 auf seinen Jungfernflug schickte, haben Comictexter und Drehbuchautoren wieder und wieder erzählt, wie es dazu kam, daß der Industriellensohn und Playboy Bruce Wayne die Kappe mit den Spitzohren überzog und zum großen Lausch- und Faustangriff auf das organisierte Verbrechen ansetzte. Diese origin stories variieren eine Urszene: Nach einem Opernbesuch wurden die Eltern Waynes von einem Straßengangster ermordet. Nur der Mond war Zeuge - und der kleine Bruce, der seitdem von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen gejagt wird, keine Ruhe findet und Rache sucht.

Während Tim Burtons "Batman" und Schumachers "Batman forever" Waynes Werdegang zum dunklen Ritter nur in kurzen Flashbacks anrissen, holt "Batman begins" zur ganz großen Exposition aus: Auch Jahre nach dem Doppelmord hat der junge Bruce Wayne das traumatische Erlebnis nicht überwunden. Nach langen Irrwegen landet er zunächst in einem rotchinesischen Gefängnis, aus dem ihn der zwielichtige Henri Ducard befreit und zum Selbsterfahrungskurs ins Kloster des tibetanischen Mönchs Ra's Al Ghul schickt. Dort angekommen, wird Bruce Wayne in einem mehrmonatigen Training im Ninjutsu ausgebildet und in die zwielichtige "Gesellschaft der Schatten" aufgenommen, um geistig und körperlich gestählt den Kampf gegen das Unrecht und sämtliche Verworfenheit der Welt und insbesondere von Gotham City aufzunehmen. Was Bruce Wayne auch erwartungsgemäß tut, nicht ohne allerdings seinem Lehrmeister Ra's Al Ghul im entscheidenden Moment seiner Eignungsprüfung den Kadavergehorsam zu verweigern.

"Batman begins" ist das exakte Gegenstück zu den opulenten, schrillen und völlig überdrehten Batman-Kino-Opern der 90er. Nichts ist geblieben vom Ausstattungs- und Effekte-Bombast der unsäglichen Schumi-Adaptionen. Christopher Nolan präsentiert seinen Batman hart, schnell und kompromißlos. Viel Aufmerksamkeit und Gespür widmet er dabei der psychologischen Entwicklung seiner Hauptfigur, ohne jedoch den Rubicon zum schulzigen Seelentrip wie Kollege Raimi bei "Spider-Man 2" auch nur in Sichtweite zu rücken. Nolans Vorbilder liegen dabei eindeutig im Horror-Genre: Batmans erster Einsatz am Hafen von Gotham, bei dem der maskierte Vigilant nahezu unsichtbar aus dem Dunklen angreift und einen Gegner nach dem anderen unschädlich macht, zitiert nichts anderes als "Alien". Und die Sequenzen rund um die Klinik des irren Psychiaters Dr. Crane, der seine Patienten in der gräßlichen Verkleidung einer Vogelscheuche terrorisiert, erinnern mehr als einmal an einschlägige Horrorklassiker in ähnlicher Umgebung wie beispielsweise Brett Leonards "Dead Pitt".

Ganz anders als bei bisherigen Batman-Verfilmungen steht die titelgebende Hauptfigur zu jeder Sekunde im Mittelpunkt des dramatischen Geschehens. Während Tim Burton und Joel Schumacher ihren blassen, farblosen und zuletzt reichlich tuntigen Fledermausmann stets mit einer Riege umso schillernderer Schurkenfiguren - angefangen von Jack Nicholson als Joker über Jim Carrey als Riddler bis zu Arnold Schwarzenegger als Mr. Freeze - konfrontierten, welche dem Helden grundsätzlich die gesamte Show stahlen, hält Christopher Nolan ganz den Fokus auf Bruce Wayne und seiner Entwicklung zum finsteren, maskierten Rächer.

Zu den interessantesten Neuerungen in Christopher Nolans Gotham-Universum dürfte zählen, die Wurzeln des dunklen Ritters zu den fernöstlichen Kampfkünsten zu führen und speziell seine kämpferischen Fähigkeiten, sein blitzschnelles Auftauchen und Verschwinden und seine überfallartigen Angriffe auf seine Gegner, mit Kenntnissen im Ninjutsu, der legendenumwobenen japanischen Kunst des Schattenkriegs, zu erklären. Dies birgt eine faszinierende Neuinterpretation des Comicstoffes, entmystifiziert aber den Nimbus des Flederhaus-Helden auch ein Stück. Generell ist die Idee, aus Batman einen Ninja zu machen, eine reizvolle und stimmige Variantion, schließlich waren die echten Togakure-Krieger Japans nicht nur Großmeister in Kampfkunst, Taktik, Spionage, dem Gebrauch von Feuer und Sprengstoff sowie psychologischer Kriegsführung, sondern auch als Geheimagenten nicht selten zum Schutz von Kriegsherren, deren Familien und zur Bewahrung politischer Stabilität eingesetzt - ganz im Gegensatz zum tumben Haudrauf-Kino der späten 70er und frühen 80er Jahre marke Sam Firstenberg & Co., in dem die Ninjas zumeist als seelenlose, eiskalte Elitekiller dargestellt wurden.

Die zweite, ganz große Änderung ist Christopher Nolans Umgang mit Batmans Heimatstadt Gotham City. Alle bisherigen Batman-Verfilmungen hatten eines gemein: Die gesamte Handlung spielte sich ausnahmslos in der von Batman-Vater Bob Kane erdachten Millionenmetropole ab. Das mit futuristischer, oftmals gewollt synthetischer Optik ausgestattete Gotham City wurde zum Tummelplatz ganzer Heerscharen irrwitzigster Phantasiefiguren, Fluggeräte und Fortbewegungsmittel und entwickelte somit nicht selten den surrealen Charakter einer überdimensionalen Puppenbühne, außerhalb derer es gar keine andere Welt gibt. Ganz anders dagegen "Batman begins": Bei Christopher Nolan schweift die Handlung während der gesamten Exposition durch die Weltgeschichte, zeigt Gebirgspanoramen in Tibet genauso wie das naturalistisch brutale Innenleben eines rotchinesischen Gefängnisses.

Das Gotham City, welches uns Christopher Nolan dann in der zweiten Hälfte seiner Batman-Adaption präsentiert, hat außer den düsteren Großstadtschluchten nichts mehr mit dem trashig-bunten, unwirklichen Gemischtwarenladern der Schumacher-Filme gemein, sondern ist mit heruntergekommen Gebäudetrakten, dampfenden Kanalisationsschächten und müllverstopften Straßen schlicht Nolans depressive Ansicht der vom 11. September ins Mark getroffenen und verwundeten Metropole New York, der so ganz die Aura des gewollt Künstlichen früherer Comic-Verfilmungen fehlt. Fast wirkt es so, als hätte Nolan am liebsten ganz auf den Namen der Comic-Metropole verzichtet und seine Geschichte lieber im echten New York City angesiedelt - allein der Respekt vor der Comicvorlage verbot dies.

Gleichzeitig ist Nolans Gotham City aber auch das Babylon des 21. Jahrhundert, ein Abgrund aus Korruption, Elend und sozialen Verwerfungen, ein modernes Sodom, dessen Vernichtung sich der erst kurz vor dem Final Showdown enthüllte Hauptschurke des Films als Aufgabe oberster Priorität auf die Fahnen geschrieben hat.

Hauptdarsteller Christian Bale ("American Psycho", "The Machinist") verkörpert die Wandlung des innerlich zerrissenen, von Seelenqual gemarterten Heranwachsenden zum maskierten Verbrechensbekämpfer mit beeindruckender Intensität und Glaubwürdigkeit und liefert mit Abstand den besten Batman der Fledermausgeschichte. Und Regisseur Christopher Nolan ist genau der passende Mann für diese Darstellung, zeigte er doch sowohl mit "Memento" als auch mit "Insomnia" ohnehin ein Händchen für obsessive Charaktere und schwerst ambivalente Grenzgänger zwischen Gut und Böse. Auch wenn das Grundgerüst der Story, aus Batman eine schizophrene Persönlichkeit zu machen, ungefähr so originell ist wie die Idee, Rambo Schusswaffen gebrauchen zu lassen.

Bale zur Seite steht eine wirklich ungewöhnliche Phalanx von Superstars: Sir Michael Caine ist als treuer Butler und Sidekick Alfred wie immer eine schlichte Augenweide. Liam Neeson rekapituliert als Lehrmeister Henri Ducard prinzipiell nur seine Rolle als Jedi-Meister Qui-Gon Jinn aus "Star Wars - Episode I", was zur Folge hat, daß den Zuschauer bei Christian Bale nicht selten die gleiche Furcht beschleicht wie einst bei Ewan McGregor, er könne vom vor sich hin philosophierenden Neeson schlicht totgeschwafelt werden. Morgan Freeman hat als Erfinder Fox - eine Art "Q" für die Entwicklung von Batmans Ausrüstung - nicht mehr als ein etwas größeres Cameo, ebenso wie "Last Samurai"-Star Ken Watanabe als Ra's Al Ghul. Erfreulich präsent nach langer Leinwandabwesenheit ist Rutger Hauer als aalglatter Konzernmanager Earle, während der krass gegen den Strich besetzte Gary Oldman sich als Detective Gordon offenkundig in seinem Part als "Guter" (noch) nicht so recht wohlfühlt. Tom-Cruise-Gefährtin Katie Holmes hat als Jugendfreundin Rachel indes sichtlich Mühe, gegen diese Riege darstellerisch zu bestehen. Auf Seiten der Schurken brillieren Tom Wilkinson als Verbrecherfürst Falcone und vor allem Cillian Murphy, der als satanischer Nervenarzt Dr. Crane alias Scarecrow eine Jeffrey-Combs-Gedächtnis-Gala allererster Güte abliefert.

Den einzigen wirklichen Negativpunkt bilden die Kampfsequenzen in "Batman begins". Während das blitzschnelle, schemenhafte und für den Zuschauer kaum zu erkennende Auftreten des Fledermausmanns in seinen ersten Szenen als Stilmittel noch durchgeht, ist die wackelige Handkamera-Inszenierung mit ihren zerrissenen, abgehackten Bildfolgen speziell im Final Showdown schlicht ein Ärgernis. Schön, es soll halt Härte und Realismus suggerieren und den Zuschauer förmlich in die Action mithineinreißen. Daß dieses Stilmittel - im Übermaß verwendet - eine pure Zumutung ist, hat sich leider auch fünf Jahre nach Ridley Scotts "Gladiator" immer noch nicht in Hollywood herumgesprochen. Wozu, fragt sich der schlußendlich vom brachialen Bildgewackel reichlich genervte Zuschauer, lässt man einen Superhelden während einer langen Exposition die Kunst des Ninjutsu erlernen, wenn man von all dem Können in Folge des scheinbar immer noch ach so modischen Inszenierungsstils praktisch nichts zu sehen bekommt?

Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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