Bei Hollywoods meisten Blockbustern und Großproduktionen schaut der landläufige Kinogänger als erstes auf die Besetzungsliste, um sich bei dem bevorstehenden Kinobesuch wahlweise am angesagten Jungdarsteller, der besonders attraktiven Filmschönheit oder dem versierten Charaktermimen zu orientieren. In deutlich weniger Fällen geht die Kinowerbung für den betreffenden Streifen offen mit dem Namen des Regisseurs hausieren, und der Name des Produzenten rangiert fast immer, wenn er denn überhaupt angegeben wird, unter "Ferner liefen...". Nicht so bei Jerry Bruckheimer: Seit Anfang der 80er Jahre steht sein Name synonym für groß budgetiertes Big-Size-Kommerzkino, welches unverkennbar die Handschrift des inzwischen 58jährigen Produzenten-Moguls trägt. In den 80er Jahren kreierte Jerry Bruckheimer gemeinsam mit seinem 1996 gestorbenen Partner Don Simpson Kassenschlager wie "Flashdance", "Beverly Hills Cop" oder "Top Gun" und avancierte damit zum Markenzeichen für auf Hochglanz polierte, von hehrem nationalstolzen und sternenbannerumwehten Pathos nur so strotzende Krach-Bumm-Filme mit dem inhaltlichen Tiefgang eines aufgeplatzten Teilmantelgeschosses. Nach dem Tod Simpsons setzte Bruckheimer die Masche des Hightech-Haudrauf-Produzenten mit zumeist noch aufwendigerer Pyrotechnik und noch weniger inhaltlichen Ansprüchen fort, was schlussendlich in den vielgehassten filmischen Belanglosigkeiten "Armageddon" und "Pearl Harbor" gipfelte. Zu den typischen Merkmalen eines Bruckheimer-Films gehören die betörendsten Explosionen der jeweiligen Saison und kreativste Neuformen der Materialvernichtung. So wird in "Con Air" ein Las-Vegas-Casino von einem abstürzenden Flugzeug in die Luft gejagt, inszeniert in blitzsauberen Werbeclip-Impressionen. Auch das ist ein Wesenszug der Filmschmiede Bruckheimer. Es ist kein Zufall, dass der Produzent, dessen Karriere in der Werbung begann, gern Regisseure beschäftigt, die wie Simon West ("Con Air"), Tony Scott ("Crimson Tide"), Michael Bay ("Bad Boys") oder Martin Brest ("Beverly Hills Cop") in der gleichen Branche ihre Erfahrungen machten. Diese Leute sind sicher bei Leibe keine Genies, aber recht einfallsreiche Bildermacher. Man mag kaum glauben, dass ein so herrlich selbstironisches, intelligent erzähltes und liebevoll ausstaffiertes Kostümspektakel wie das kürzlich gestartete Piraten-Ouvre "Fluch der Karibik" ebenfalls aus den Laboratorien des Dr. Bruckenstein stammen soll. Doch kaum zwei Monate später holt uns der Meister der edel fotografierten Destruktionsorgien wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: Mit "Bad Boys 2" ließ er seinen auch schon für "Armageddon" und "Pearl Harbor" verantwortlichen Lieblingsregisseur Michael Bay nach acht Jahren eine Fortsetzung zu der zu Recht sehr erfolgreichen ersten Zusammenarbeit inszenieren: "Bad Boys", gedreht im Jahr 1995, war damals das Sprungbrett zur internationalen Karriere vor allem für Regisseur Bay und den bis dato fast ausschließlich im TV aktiven Hauptdarsteller Will Smith. Während der anschließend in Blockbustern wie Roland Emmerichs "ID4", Barry Sonnenfelds "Men in Black" oder Ridley Scotts "Enemy of the state" reüssierte, kam sein Partner Martin Lawrence nach "Bad Boys" über mehr schlecht als recht erfolgreiche Komödienrollen wie in "Blue Streak" oder "Big Momma's House" nicht hinaus. "Bad Boys", das war trotz filmisch einfachster Mittel und einem verglichen mit heutigen Bruckheimer-Produktionen geradezu spartanischem Budget ein forcierter, geradliniger, schnörkelloser und durchgängig unterhaltsamer Action-Trip mit zwei physischen äußerst präsenten Hauptdarstellern, die insbesondere immer dann markant ins Bild kamen, wenn sie mit schweißglänzenden, muskulösen Oberkörpern in gleißender Sonne halsbrecherische Stunts und Verfolgungsjagden absolvierten - eingefangen von der professionellen Kamera Howard Athertons. Inzwischen tummelt sich Will Smith in der A-Liga Hollywoods ebenso wie der Rap-Charts, Martin Lawrince im Casting einer schlechten Komödie nach der anderen (zuletzt im wirklich erbärmlichen "National Security"), und die Oberkörper sind lange nicht mehr so jugendlich muskulös und vor allem im Falle Martin Lawrence' nicht mehr so rank und schlank wie 1995, was zur logischen Konsequenz hat, dass man sie im acht Jahre jüngeren Sequel auch nicht mehr unbekleidet zu Gesicht bekommt. Ansonsten weist "Bad Boys 2" von der ersten bis zur (viel zu späten!) 143. Minute all jene plakativen Fehler und Missstände auf, die sich fast automatisch ergeben, wenn versucht wird, einen (vergleichbar kleinen), aber durchaus feinen Erfolg mit einem Mammut-Budget zu wiederholen. Höher, schneller, weiter, lauter und gewaltiger - das Grundprinzip, mit dem bereits Stephen Sommers seinen zweiten Auftritt des Mullbindenmannes "The mummy returns" kläglich im Untergrund der ägyptischen Wüste versanden ließ, lässt auch "Bad Boys 2" im Getöse völlig überzogener, inflationärer und geisttötender Materialschlachten enden, ohne dass diese durch eine halbwegs spannende oder gar schlüssige Story und ausreichend komische Elemente kontrastiert würden. Wieder geht das Buddy-Gespann Mike Lowrey (Will Smith) und Marcus Burnett (Martin Lawrence) in einem reichlich konfusen und vor Logiklöchern vom Ausmaß eines Pumpgun-Einschusses nur so strotzenden Plot auf die Jagd nach Killern, Stoff und der Rettung des christlichen Abendlandes und bekommt es dabei gleich mit einer Premiumauswahl sich heftigst widerstreitender gemischt-russisch-jamaikanisch-kubanischer Gangsterbanden zu tun, deren Auseinandersetzungen ab und an das Ausmaß eines mittelschweren Weltkriegs annehmen - Gelegenheit genug für die Pyrotechniker und Destruktionsexperten der Marke Bruckheimer, eine schier nicht zu zählende Menge an Autos inklusive kompletter Straßenzüge, Gebäude und sogar Swimming-Pools in Schutt und Asche zu legen. Doch schon hier leistet sich das ansonsten so auf Steigerungen aller Art versierte Duo Bay-Bruckheimer einen dicken Lapsus: Unbestreitbarer Höhepunkt ihres jüngsten Krawallspektakels ist nämlich die erste von sage und schreibe insgesamt drei Massenverfolgungsjagden, bei der unter anderem durch kreativen Einsatz eines Autotransporters als Waffe auf einer Hochstraße ganz offenkundig der Anschluss an "Matrix Reloaded" gesucht wird. Der gesamte darauf folgende Actionbombast muss jedoch zwangsläufig hinter dem zuvor gesetzt Maßstab zurückbleiben. Je ausgefeilter und atemberaubender die visuellen Spezialeffekte der Bruckheimerschen Kino-Technologie geraten, desto fabrikmäßiger sehen die Filme aus. Bildete der Flug einer japanischen Bombe, dem sich die Kamera vom Ausklinken aus dem Flieger bis zum Auftreffen in einem amerikanischem Schlachtschiff anheftete, den fragwürdigen Höhepunkt von "Pearl Harbor", so können Bay und Bruckheimer auch hier auf einen solchen makaberen Gimmick nicht verzichten: Akurat verfolgt in "Bad Boys 2" die Kamera den Flug einer Pistolenkugel durch den Körper eines versehentlich ihre Bahn kreuzenden Kombatanten bis in den Hals des ihr zugedachten Schurken. Die Handlung offenbart sich wie schon in Teil eins als zusammengeschustertes Konglomerat aus beliebigen Versatzstücken des Cop-Thrillers und des Buddy-Movies. Mike Lowrey (Will Smith) und Marcus Burnett (Martin Lawrence), ihres Zeichens immer noch Beamte im Drogendezernat des Miami Police Department, dürfen sich nicht nur mit einer ganzen Armee rabiater Drogengangster, sondern zu allem Überfluss auch noch mit ein paar übereifrigen Agenten der Drug Enforcement Agency herumschlagen, wobei Marcus attraktive Schwester Sydney (Gabrielle Union, Jet Lees attraktive Kampfgefährtin aus Andrej Bartkowiaks "Cradle 2 the Grave") ebenso auf beruflicher wie auf privater Seite für Verwirrung sorgt. Jordi Mollà variiert als kubanischer Drogenbaron Johnny Tapia nur unwesentlich seinen Part aus Ted Demmes "Blow" ins Pathologische. Joe Pantoliano hat wie in Teil eins als Lowreys und Burnetts hysterischer Chef einige wenige komische Momente. Ein kleines Cameo liefert Post-Punker und Brachial-Poet Henry Rollins als TNT-Squad-Leader. Auch wenn die Story ohnehin nie das maßgebliche Bewertungskriterium für ein Oevre aus dem Hause Bruckheimer darstellt, so ist das Drehbuch doch eindeutig der markanteste Schwachpunkt an "Bad Boys 2". Viel zu selten wird die durchaus noch vorhandene komische Chemie zwischen den beiden streckenweise bestens harmonierenden Hauptdarstellern wirklich ausgereizt, die wenigen echten Lacher sind rar gesät und gehen meisten im augen- und ohrenbetäubenden Action-Overkill unter. Ebenso zu oft lassen Regisseur Michael Bay und das Drehbuch-Konsortium George Gallo, der schon für den ersten Teil textete, Marianne Wibberley ("I Spy", "Charlie's Angels - Full Throttle") und Ron Shelton ("Tin Cup") die Story auf einen Semi-Höhepunkt hinsteuern, um anschließend eine weitere enervierende Überdehnung des an zuvor schon fasedünnen Plotprovisoriums anzuklemmen. Das einzige, was "Bad Boys 2" endgültig vor dem Absturz in finsterste "Pearl Harbor"-Gefilde rettet, ist eine wenigstens zu erahnende Rückkehr zu dem wüsten, amoralischen Rabaukentum, das an den frühen Bruckheimer-Helden so sehr gefiel. Ein wenig spürt man bei Smith und Lawrence den Impetus der Helden vom Schlage eines Axel Foley, Rüpeln erster Kajüte mit dem Herz am rechten Fleck, die ihre Probleme damals in den guten, alten 80ern und zu Lebzeiten eines Don Simpson noch unverschämt grinsend mit der großkalibrigen Waffe in der einen Hand und dem frech gehobenen Daumen an der anderen lösten und nicht wie später Ben Affleck oder Josh Heartnett lieber verschämt zu Boden starrten. Dann nämlich, wenn Burnett und Lowrey mal eben, um einem Verdächtigen die Zunge zu lösen, dessen Laden zerdeppern oder einem jugendlichen Verehrer von Burnetts Tochter durch martialisches Gefuchtel ihrer Waffen das Grausen lehren. Ist die Handlung der ersten zwei Stunden schlicht belanglos, so wird sie im letzten Fünftel zum puren Ärgernis. In einem völlig überflüssigen, ganz auf den Hurra-Patriotismus seligster Rambo- und Reagan-Zeiten getrimmten Schlussakkord lassen Bruckheimer und Bay ihre Helden alle verbliebenen Bösewichter im feindlichen Ausland inklusive kompletter Slumsiedlungen sowie sämtlicher Bestimmungen des Völkerrechts und der Genfer Konvention pulverisieren, wobei sich der Zuschauer fatalerweise vor Assoziationen zu Dwight H. Littles unsäglichem Steven-Seagal-Vehikel "Marked for death" von 1990 kaum retten kann. Von dem angeblichen Drogenlabor in dem zerstörten Wellblech-Ghetto bekommt der Zuschauer genauso wenig zu Gesicht wie von den Massenvernichtungswaffen im Irak. Überflüssig zu erwähnen, dass das so ziemlich das Schlechteste ist, was dem Kreativ-Duo in Sachen materialvernichtender Verbrechensbekämpfung einfallen konnte. |
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.