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Kino - dafür werden Filme gemacht

So weit die Füße tragen

Kritik von Ingmar Lang

Nachdem ich das Buch über Weihnachten fast verschlungen habe und es wirklich spannnend und berührend fand, war meine Erwartungshaltung an fast drei Stunden Kino sehr hoch. Allerdings bin ich vom Film maßlos entäuscht. Und das ist auch der Grund dafür, daß ich mich hinhocke und mir meinen Frust von der Seele schreibe ... und damit vielleicht ein paar anderen Lesern diese Erfahrung ersparen kann.

Das Drehbuch ist so weit weg vom Roman, daß einem schlecht werden muß. Im Roman gibt's weder ein sülziges Frauentechtelmechtel noch eine private Abrechnungsgeschichte zwischen dem russischen Offizier und Forell. Es wird einmal erwähnt, daß nach Forell auch nach langer Zeit noch gesucht wird, aber das war's dann auch schon. Sein Hund, der ihm viel bedeutet hat, wird erst sehr spät in der Handlung an der Grenze erschossen und springt auch niemals dem Offizier in's Gesicht. Der ganze Abschieds- und Wiedersehensschmalz (an Weihnachten! in der Kirche! mit Kinderchor der Kyrie-Eleison schmettert und seiner Tochter, die blond und langhaarig ist, und ich glaube Lieschen heißt!), der in einer unerträglichen Schmalzigkeit mit ebensolcher Musik breit getreten wird, um auch ja allen Zuschauern die Tränedrüsen zu aktivieren, fehlen im Roman genauso.

So, aber das sind ja nur die Kleinigkeiten, die mich rasig gemacht haben. Das Schlimmste ist, daß in keinster Weise auf die zwischenmenschlichen Beziehungen während des Transports und vor allem im Lager eingegangen wird. Da wird beispielsweise aus scheinbar heiterem Himmel ein Mitgefangener im Bergwerk zufällig erschlagen und auch sein Name erwähnt. Es fehlt dem NUR-Filmkucker aber jeder Hinweis wer das ist, welche Beziehung er zu Forell hat usw. Die Szene hätte man also komplett weglassen können. Auch die lange innere Vorbereitung zur Flucht, die Forell selber durchmachen muß bis er dafür "reif" ist fehlt. Genauso wie die Hoffnungen, Sehnsüchte und Todesängste der Gefangenen im täglichen aber scheinbar nie mehr enden wollenden Bergwerksstraflager. Dafür wird vorher eine spektakuläre "bei Minus 40 Grad zur Strafe Ausziehaktion" gezeigt, die jeder Grundlage entbehrt. Auch die "tollen Floß Actionszenen" auf welche die Produzenten so stolz sind gab's im Buch nicht. Vielleicht hätte man anstelle dieser unzähligen überflüssigen Ergänzungen lieber den dritten Ausgebrochenen Strafgefangen ins Drehbuch genommen. Damit wäre auch die Gruppendynamik und Spannung etwas rübergekommen, die Forell immerhin über ein Jahr seiner Zeit beschäftigt hat. Daß die 4 Jungs mindestens einen Sommer zusammen täglich fast 10 Stunden Gold gewaschen haben, ist dem Drehbuch auch keiner Erwähnung wert. Immerhin könnte dies ein bisschen erklären, warum die bis dahin relativ homogene Zwangsgemeinschaft so rapide in die Brüche ging. Weil nämlich irgendwann bei einem der Vieren ein Extraklumpen Gold aufgetaucht ist!

Fazit: Grausam, wie man aus so einer tollen Story so einen Mist machen kann. Darüber trösten auch nicht die zeitweise schönen Landschaftsaufnahmen hinweg. Die Dialoge sind zu dünn (beispielsweise mit Lagerarzt Dr. Stauffer). Ich finde bei der Länge und dem Aufwand hätte man da einen richtig tollen Film draus machen können. Schade! Lag wohl am Drehbuch. Oder vielleicht lag es an der Zielsetzung es mal wieder dem Durchschnittskucker (breites Publikum heißt das dann) rechtmachen zu wollen. Bissi Action hier, bissi Liebe dort, kleine Privatfehde unter Männern und viel romantisches Heimatschmalz für die sentimentalen Mädels. Wirklich Schade drum, denn in der Regel ist das Publikum doch mündiger als die Produktionsfirma denkt, und hätte den Mut zur Authentizität womöglich mit vielen zahlenden Zuschauern belohnt ...

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Diese Kritik ist die Meinung von Ingmar Lang.

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