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Kino - dafür werden Filme gemacht

The Scorpion King

"Residenz" Bückeburg (25.04.2002)

Kritik von Johannes Pietsch

Ach ja, die guten alten 80er. Was hatten es männliche Filmdarsteller damals noch einfach: Da gab es Genres, in denen mussten jene Recken schlicht und einfach nur ausreichend Bizeps und Brust vorzeigen, durchgehend stupid grimmig dreinblicken und ab und an vergleichsweise formschön Schwerter, Hellebarden oder sonstige primitive Tötungsinstrumente durch die Luft wirbeln, um als Hauptdarsteller gecastet zu werden. Und wenn dann auf der Kinoleinwand respektive dem Fernsehschirm bei der mit ausreichend Sixpacks Aldibier ausgestatteten heimischen Videopartie diese spärlich bekleideten Muskelhelden reihenweise ebenso minderbemittelt aussehende wie agierende Statisten verdroschen und tranchierten, dann freute sich der langmähnige, in türkisfarbene Ballonseide gekleidete und Adidas-Turnschuhe tragende Vorstadt-Bunke ein ganzes Rudel Wölfe.

Barbarenfilme nannte sich diese Welle, wurde ausgelöst durch den ziemlich unerträglichen John-Milius-Streifen "Conan der Barbar" - der seinen Hauptdarsteller, einen gewissen Arnold Schwarzenegger, 1982 schlagartig zu Weltruhm verhalf - und ließ so begnadete Kunstwerke folgen wie "Er - stärker als Feuer und Eisen", "Thor der unbesiegbare Barbar" oder "Red Sonja" - Filme, die die konsequente Fortsetzung des klassischen, an sich schon nicht allzu intelligenten Sandalenfilms aus den 60ern bewerkstelligten, nur auf noch viel primitiverem Niveau.

Nun mag man sich ernsthaft fragen, was einen Regisseur respektive Produzenten veranlasst haben könnte, diese Heroen längst versunkener Kino- und Video-Epochen mit fettem Hollywood-Budget wieder aus der Versenkung zu hieven. Zum einen natürlich die Tatsache, dass seit einigen Jahren dank grassierender Ideenlosigkeit von Drehbuchautoren so ziemlich alles für's Big-Budget-Kino exhumiert, reanimiert und verhackstückt wird, was irgend wann einmal erfolgreich war. Zum anderen liegt die Antwort simplerweise im Kinoerfolg von Stephen Sommers beiden Mumienfilmen, die ja selbst nichts anderes taten, als aus Uraltelementen des Horror- und des Abenteuerfilms einen knallbunten Popkornteig zu kneten und aufgehen zu lassen. "The mummy returns" führte vergangenes Jahr in einer Nebenrolle Wrestling-Star Dwayne Johnson alias The Rock als monströsen Skorpionkönig ein. Obwohl der Auftritt kaum mehr als ein Cameo war und Johnson die meiste Zeit als CGI-animiertes Rieseninsektoid aufmarschieren ließ, zeigte sich Stephen Sommers von der (natürlich kalkulierten) Publikumsresonanz animiert, dem sechsfachen World-Wrestling-Champion ein eigenes Filmwerk auf den Leib zu schneidern.

Obwohl "The Scorpion King" offiziell als Prequel zu den beiden Mumienfilmen geführt wird, hat der Streifen inhaltlich kaum noch etwas mit den Abenteuern des Mullbindenmannes gemein. "Eraser"-Regisseur Chuck Russell, der den Regie-Stuhl von Stephen Sommers übernahm, verzichtete im Gegensatz zu den "Mummy"-Filmen gänzlich auf Horror- und Fantasy-Versatzstücke und verlegte sich ganz auf die Grundprinzipien eines jeden Barbaren- und Sandalenfilms. Neben dem Gattungswechsel ist auch die Hauptfigur nur noch vom Namen und Aussehen her mit dem Skorpionkönig aus "The mummy returns" identisch: Aus dem dämonischen Rebell, der sich mit dem Totengott Anubis verbündete, um mit einer Armee von hundeköpfigen Monstern das ägyptische Theben niederzuringen und 4000 Jahre später die Menschheit zu bedrohen, wird hier ein heldenhafter, muskelstrotzender und schwertschwingender Anabolika-Strahlemann mit blitzblanken Zähnen, sauber frisiertem Pferdeschwanz und breiter Identifikationsmöglichkeit für das pubertäre und vorpubertäre Zielpublikum.

Inhaltlich haben sich Regisseur Russell und Drehbuchautor Jonathan Hales gar nicht erst die Mühe gegeben, der allenfalls rudimentär zu nennenden Handlung auch nur den Hauch eines pseudo-historischen Anstrichs zu geben. Unbeschwert verwursten sie stattdessen so ziemlich alles, was das Abenteuer-, Sandalen- und Barbaren-Kintopp der vergangenen 30 Jahre an abgedroschenen Billigstmotiven herzugeben vermag, verquirrlen das Ganze mit diversen aus dem Zusammenhang gerissenen Elementen aus abend- wie morgenländischer Mythologie, mixen noch einen kräftigen Schuss Martial Arts und möglichst exotische Schauplätze dazu, garnieren das Ganze mit kernigen Mannsbildern und holden Weiblichkeiten, und fertig ist das knallig-spaßige Fantasy-Gebräu, das sich im Gegensatz zu seinen thematischen Vorgängern aus den 80ern nicht eine Sekunde ernst nimmt - einen Güterzug Popcorn bitte!

Ob Handlung oder Figurenzeichnung - es ist einfach jedes Klischee des Genres dabei. Der edle, lendenschurzbewehrte Recke, der so muskelfleischstrotzend wie das Bodybuildingstudio ihn erschuf die Feinde gleich im Dutzend billiger erledigt, die geheimnisvolle Schöne, der erzböse Tyrann, der entsprechend den Regeln des Martial-Arts-Films als unüberwindbarerer Schwertkämpfer charakterisiert wird, der plappernde, pünktliche Dialogpointen liefernde Sidekick, der immer dann zur rechten Stelle ist, wenn ausnahmsweise mal dem Helden aus der Patsche geholfen werden muß - es ist wie bei einem Treffen zum Kaffeeklatsch mit lauter guten, alten Bekannten. Daß der Bösewicht Memnon heißt und ebenso unhistorisch ist wie das angebliche Assassinen-Volk der Arkadier, stört genauso wenig wie diverseste andere anachronistische Albernheiten. Und dass das Ganze in einer Stadt namens Gomorra spielen soll, setzt dem Nonsens schon fast die Krone auf.

Rudimentäre Strukturen einer logischen Handlung sind bei "The Scorpion King" ohnehin nur bei äußerst intensiver Suche und mit sehr viel gutem Willen zu orten, aber quem jucat? Chuck Russells Film will, genau wie die Wrestling-Aktivitäten von Hauptdarsteller Wayne "The Rock" Johnson ohnehin nur eins: Fun Fun Fun! Was bereits der furiose Auftakt mehr als deutlich macht, bei dem Johnson alias Mathayus wie ein Deus ex machina mit Donnergetöse in der Unterkunft eines feindlichen Wikingerstammes (sic!) aufkreuzt und seine Widersacher mit einem herzlichen "Buh!" begrüßt. Huhu, das Kasperle mit dem großen Bizeps und dem noch größeren Säbel ist da!

Von da an ist die Marschrichtung gesetzt, im Fünf-Minuten-Takt setzt es wüste, aber äußerst artistische und stets ansprechend choreographierte Kloppereien, bei denen weder Logik noch die Gesetze der Schwerkraft und der übrigen Physik eine sonderlich gewichtige Rolle spielen, dafür aber Slapstick und Klamauk umso mehr. Chuck Russell serviert diese anarchische Vorzeit-Action in einem so atemberaubenden Tempo, als wolle er John Woo die Ehre erweisen - die Wüste bebt. Dabei geschieht das Hauen, Stechen und Knochenbrechen beinahe unter Ausschluss jeglichen Filmblutes. "The Scorpion King" bekennt sich damit unverblümt zu dem, was Wrestling ohnehin ist: Ein großes Spectaculum.

Die bestens aufgelegte Darsteller-Crew, allen voran der mimisch leicht unter Schwarzenegger-Level chargierende, aber unerwartet selbstironisch und sogar bisweilen sympathisch auftretende Dwayne Johnson, die betörende Kelly Hu und Charakterkopf Michael Clarke Duncan (der gutmütige Hüne aus "The Green Mile"), agiert, als ließe man sie auf einer großen Party sich austoben. Der völlig unkenntlich geschminkte teutonische Muskelmane Ralph Moeller darf ebenso als treudoofer Sparringspartner des Hauptdarstellers herhalten wie die große Zahl gesichts- und namenloser Statisten, die von Testosteron-Augenweide The Rock auf dem Weg zum Final Showdown platt gemacht werden. Daß die Charakterzeichnung der Figuren dabei die Tiefe eines Stück Butterbrotpapiers erreicht, ist bei einem Film dieses Kalibers nicht nur zu erwarten, sondern eigentlich schon Grundvoraussetzung für sein Funktionieren.

Auch beim Drehbuch vermag man sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe Autor Jonathan Hales einfach mal eine sehr feucht-fröhliche Nacht mit dem Verfassen von ein paar Zeilen Text abgeschlossen. Obwohl inhaltlich fast exakt gleich, wirkt "The Scorpion King" wie eine Tex-Avery-Version von John Milius' "Conan", der uns damals - vor nunmehr 20 Jahren - statt eines flotten Schlagetotstreifens eine ungleich düsterere, grimmige und in Blut watende Mixtur aus nordischer Mythologie, Wagner-Oper und Passionsspiel mit gekreuzigtem Schwarzenegger vorsetzte, eine "stupide Psychopathenfassung von Star Wars", wie das Time Magazine damals urteilte, "mit der Grazie und dem Grips eines Brontosaurus" - so die Wochenzeitung Die Zeit. Der Spaß-Faktor beim 2002er Conan-Klon ist dagegen nicht nur enorm, er ist sogar Sinn und Zweck des Ganzen.

Trotz Intelligenzverweigerung vom Ausmaß eines handelsüblichen Mittelgebirges hat Russels "Scorpion King" also alle Zutaten für ein äußerst kurzweiliges und spaßiges Popcorn-Event. Und wenn man bedenkt, dass es tatsächlich Spekulationen darüber geben soll, den mittlerweile 54jährigen Arnold Schwarzenegger ein drittes Mal als Conan the Barbarian auflaufen zu lassen, dann ist Dwayne Johnson allemal die bessere Alternative! "The Scorpion King" ist nichts weiter als eine knallbunte, quietschfröhliche und schnell verdaute Film-Seifenblase, genauso sinn- wie niveaufrei, aber ebenso ohne Risiken und lästige Nebenwirkungen. Blubb!

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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