Kannibalen sind in unserer zivilisations-geschädigten Welt eine bedauernswerte und streng verfolgte Minderheit, selbst wenn einige von ihnen über vollendete Umgangsformen verfügen. "Hannibal" legte einen der erfolgreichsten Kinostarts der Geschichte hin und schien in jeder Hinsicht seinen Vorgänger "Das Schweigen der Lämmer" zu toppen. Im Vorfeld gab es Geschrei und Skandale wegen einiger sehr geschmackloser Szenen, und angeblich lehnte es Jodie Foster genau deswegen ab, wieder Agent Starling zu verkörpern. Um es gleich zu sagen: Anthony Hopkins hätte auch einen guten Riecher bewiesen, wenn er abgesagt hätte. FBI Special-Agent Starling hat Schwierigkeiten, da sie im Einsatz auf eine Frau schießen musste, die ein Baby im Arm hielt. Da ist es ihre große Chance, dass neue Hinweise über den brillianten und geistesgestörten Dr. Lecter eintreffen. Auch der von ihm entsetzlich entstellte Milliadär Venter (nicht wieder zu erkennen: Gary Oldman) ist hinter Hannibal her. Und der italienische Fahnder Rinaldo Pazzi ist derzeit der einzige, der Hannibals neue Identität kennt. Er macht den größten Fehler seines Lebens, als er versucht, Hannibal alleine zu stellen, anstatt das FBI zu informieren. Die Story wirkt auf mich am wenig, wie am Reißbrett entworfen. Ganze Handlungsstränge haben kaum Bedeutung für die eigentliche Story oder das Handeln der Figuren und wirken, als ob sie als reines Füllmaterial eingebaut worden wären. Regisseur Ridley Scott muss dieses gewusst haben, denn er baute immer wieder lange dialogfreie Sequenzen in den Film ein, die - mit Klaviersonaten und Opernarien unterlegt - dem Film eine lyrische Dimension und so etwas wie epische Breite geben sollen. Leider hat das nicht ganz geklappt: Der Film ist einfach nur entsetzlich langatmig. Handwerklich erstklassig fotographiert, entwickelt er kaum etwas von der Stringenz und Spannung seines Vorgängers. Dies ist umso bescheidener, da die Macher allein wegen der Präsenz Hannibals nicht mehr viel hätten falsch machen können. Denn Anthony Hopkins spielt mal wieder gnadenlos gut und auch Julianne Moore mimt seine Gegenspielerin sehr überzeugend. Nur leider kann der Höhepunkt nich annähernd mit dem genialen und nicht enden wollenden Showdown des "Schweigen der Lämmer" mithalten. Schlimmer noch: Hannibal verspeist genau die Menschen, die es sich im Laufe des Filmes so richtig verdient haben, und wird so zu einer widerwärtigen moralischen Instanz, was zurecht von vielen Zuschauern als skandalös empfunden wird.
USA 2001, 131 min |
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Diese Kritik ist die Meinung von Enno Park.