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Kino - dafür werden Filme gemacht

Der Untergang

Kritik von Barbara Cerveny

"Viele sagen, man dürfe jemanden wie Hitler nicht in Szene setzen, man dürfte einer Unperson kein Podium geben". Bernd Eichinger (Produzent) war sich darüber im Klaren, dass er sich auf ein umstrittenes Terrain begibt, dass er die deutsche Geschichte mit der Inszenierung der Hitler-Figur an der sensibelsten Stelle packt. Doch diesen Kampf hat er gewonnen: Er hat es geschafft, einen Film zu produzieren, der die deutsche Vergangenheit auf eine Weise aufarbeitet, die die Hauptakteure weder heroisiert noch dämonisiert.

Mit der Konzentration auf die letzen Tage im Bunker, die auf den Büchern "der Untergang" von Joachim Fest und "Bis zur letzten Stunde" von Hitlers Sekretärin Traudl Junge basiert, eröffnet der Film eine neue Perspektive des zweiten Krieges.

Während auf den Straßen Berlins zwölfjährige Kinder gegen den russischen Feind kämpfen, hat sich Hitler (Bruno Ganz) mit einigen Generälen und seinen engsten Vertrauten im Führerbunker der Reichskanzlei verschanzt, obwohl er mit dem Verlassen Berlins Tausenden von Menschen das Leben hätte retten können. Frauen und Kinder zu evakuieren fand er unnötig, denn das Volk "habe sein Schicksal selbst gewählt und hätte nichts anderes verdient". Während die Bevölkerung auf den Straßen dem grausamen Krieg zum Opfer fällt, bereitet Hitler seinen Abgang im Bunker vor. Seine Privatsekretärin Traudl Junge (Alexandra Maria Lara) weicht ihm bis zu seinem Tod nicht von der Seite.

Obwohl Hitlers Machtübernahme, die Nationalsozialisierung Deutschlands, die Judenverfolgung und der Kriegsverlauf nicht Inhalt des Filmes sind, wird dennoch deutlich wie es Hitler die ganze Zeit über geschafft hat, Menschen zu manipulieren und Marionetten aus Ihnen zu machen. Obwohl alle Generäle das Ende des Krieges sehen, widerspricht niemand dem Führer als dieser von fiktiven Armeen und einem Sieg über die Russen spricht. Er schafft es sogar viele bis zu seinem Tod in dem Glauben zu lassen, dass es einen Ausweg aus dem längst verlorenen Krieg gäbe. Nachdem Hitler tot ist, ist seine Manipulation in den Köpfen seiner Generäle und Getreuen stets präsent und führt dazu, dass viele von ihnen ebenfalls Selbstmord begehen.

"Der Untergang" ruft kein falsches Mitleid hervor und versucht auch nicht "Täter" in ein schönes Licht zu rücken. Eine gewisse Balance wird hergestellt, indem einerseits Situationen entstehen, die man menschlich nachvollziehen kann und andererseits ein so absurdes Weltbild und extreme Parolen gelebt werden, dass sie jenseits unseres Verständnisses liegen.

Schauspielerisch ist der Film hervorragend besetzt. Die Glanzleistung Bruno Ganzs ist schon fast erschreckend. Er hat Hitler weder parodiert noch als einen "kranken Irren" dargestellt. Ganz verkörpert einen Diktator, der zu jeder Zeit voll zurechnungsfähig war, obwohl sein Körper altert und seine Nerven versagen. Mit zitternder Hand, einem buckeligem Körper, strenger kalter Mine und doch um eine aufrechte Haltung bemüht tritt er seinen Mitmenschen gegenüber. Ganzs Sprache ist sehr überzeugend und er schafft es, Hitlers Mischdialekt aus gehobenem österreichischem und südbayerischem Dialekt gerecht zu werden. Am beeindruckendsten sind die Szenen in denen Hitler in Wut ausbricht und man vor der Leinwand erstarrt und sich nicht traut zu schlucken. Aber auch in "ruhigen" Szenen strahlt er eine enorme Autorität und Macht aus.

Die ganze Geschichte wird aus der Sicht von Traudl Junge erzählt. Das 22 jährige Mädchen, dass 1942 in einer Nacht zu Hitler gerufen und seine private Sekretärin wurde. Von da an weicht sie ihm nicht von der Seite und sieht in ihm eine Art Vater-Ersatz. Mit großer Bewunderung schauen auch Alexandra Maria Laras Augen Hitler an.

Jahre nach dem Krieg als Frau Junge am Grab der damals gleichaltrigen Sophie Scholl stand, die als Widerstandskämpferin ermordet wurde, löste sie die Schulfrage für sich, indem sie sich eingestand, dass ihr damaliges Alter sie nicht von ihrer Mitschuld befreit.

Die blinde, naive Traudl und ihre aussichtslose Situation, nachdem sie den Nationalsozialisten beigetreten ist, porträtiert Lara authentisch. Nicht ideologisch, sondern selbstsuchend, nicht unwissend, sondern naiv, nicht herzlos, sondern ängstlich ist die junge Frau, die sich von ihrer Familie entfernt hat, um dem Führer zu dienen.

Die Absurdität und Realitätsferne wird in Eva Braun (Juliane Köhler) personifiziert. Eva lebt als ob es keinen Krieg gebe. Die stets fröhliche, lachende Frau genießt ihr Leben und lässt sich noch nicht mal von russischen Angriffen vom Feiern abhalten. Doch ihr Leben liebt sie nicht so sehr wie ihren Wunsch Hitler zu folgen, sei es auch in den Tod.

Eva verkörpert die soziale Ungerechtigkeit und die spießbürgerliche Oberflächlichkeit. Während sie einen Abschiedsbrief an ihre Schwester schreibt, in dem sie genauste Beschreibungen über die Zukunft ihrer Schmuckstücke angibt, werden sterbende Menschen auf den Straßen eingeblendet.

Die Perversität der nationalsozialistischen Ideologie wird durch Magda Goebbels (Corinna Harfouch) verdeutlicht, die zur "glücklichsten Frau Deutschlands" wird als Hitler ihr ein Hakenkreuz-Abzeichen ansteckt. Einige Stunden später vergiftet die glücklichste Mutter ihre Kinder, weil sie "zu gut sind, um in einer Welt ohne Nationalsozialismus zu leben" und wählt mit Joseph Goebbels (Ulrich Matthes) ebenfalls den Freitod.

Der Film schafft es auf eine neutrale Art und Weise die nationalsozialistische Ideologie, die die Mutter- und Beschützerinstinkte einer Frau außer Kraft setzt, die menschliche Manipulation und das geschichtliche Drama dem Publikum näher zu bringen. Jeder, der dazu bereit ist, sich mit der deutschen Vergangenheit auf eine noch nie da gewesene Art auseinanderzusetzen sollte sich den Film unbedingt anschauen.

"Ich habe es als eine historische Aufgabe gesehen, die ich als Deutscher annehmen sollte".

(O. Hirschbiegel, Regisseur)


Diese Kritik ist die Meinung von Barbara Cerveny.

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