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Kino - dafür werden Filme gemacht

Collateral Damage

"Residenz" Bückeburg (24.02.2002)

Kritik von Johannes Pietsch

Gealterte Actionhelden haben es dieser Tage schwer. Je größer der einstige Ruhm, desto tiefer auch die Fallhöhe, die ein Karrieresturz bewirken kann. Auch Arnold Schwarzenegger, einst höchstdotierte Aktie an der Hollywood'schen Action-Börse, bekommt dies nach filmischen Flops, Herzoperation und Karriereloch Ende der 90er Jahre bitterlich zu spüren. Da schien es zunächst, als habe er sich mit der (für seine Fähigkeiten) ungewöhnlich fragilen Darstellung in Peter Hyams Endzeitthriller "End of days" am eigenen Schopf wenigstens halbwegs aus dem Karrieretief gezogen. Doch schon das Nachfolgewerk "The 6th day", ein mehr als halbherziger Reanimierungsversuch der Total-Recall-Masche, geriet viel zu glatt, zu gefällig und zu konturlos, um die Fans von einem wirklichen Comeback zu überzeugen. Auch Schwarzeneggers neuer Film "Collateral Damage" zeigt in Sachen Karriereschubkraft klar rückläufige Tendenzen. Dabei ist die völlig ungeplante (und auch unvorhersehbare) Affinität der Filmhandlung zu den tatsächlichen Ereignis des WTC-Attentats keinesfalls das größte Handicap.

Nachdem Arnold Schwarzenegger zuletzt in einem Streifen über das Klonen zu sehen war, ist sein neuer Film an sich ein Klon, der fast ausnahmslos Versatzstücke früherer Erfolge des Österreichers durch den Recycling-Schredder dreht und in die Waagschule um die Publikumsgunst wirft. Die Geschichte vom Feuerwehrmann Gordon Brewer, der durch ein Bombenattentat Frau und Kind verliert, variiert nur unwesentlich die Ausgangssituation des New Yorker Polizisten Jericho Crane, der in "End of Days" die Welt vor dem Antichristen bewahren musste. Da die Regierung nichts Greifbares unternimmt, muß der tapfere kleine Feuerwehrdrache Grisu selbst ins Herz der Finsternis im kolumbianischen Dschungel, um dem dorthin entfleuchten Attentäter ganz im Stile der guten alten 80er persönlich heimzuleuchten, genauso wie damals, als er sich als Dutch Schaefer und als Colonel John Matrix durch diverseste Regenwälder schoss und prügelte.

Doch nicht nur Arnold Schwarzeneggers Karriere zeigt Verschleißerscheinungen, die eines zweiten noch mehr: Andrew Davis. Ausgerechnet diesem versierten Action-Spezialisten, der 1993 mit "The Fugitive" einen der besten Thriller der 90er Jahre drehte, mit "Nico" und "Under Siege" zweimal Null-Darsteller Steven Seagal einen ansprechenden Reißer verpasste und sogar mit einem erzreaktionären Krawallkopf wie Chuck Norris 1985 in "Code of Silence" einen sehr formidablen Krimi fabrizierte, geraten hier alle früher gezeigten Fähigkeiten aus der Hand. Speziell "Nico" und "Code of Silence" zeichneten sich durch (für einen Actionfilm) durchaus raffiniert zu nennende Konstruktion von Frontlinien, durch häufiges Wechseln von Freund und Feind und ungewöhnlich verschachtelte Subplots aus. Das versucht Davis ohne Zweifel in "Collateral Damage" auch, doch die dazu angelegte Figur des zwiespältigen CIA-Agenten Peter Brandt (Elias Koteas) gerät derart durchschaubar und noch dazu logisch löcherig, dass er als träge Masse den ohnehin spannungsarmen und vorhersehbaren Plot vollends zu Boden drückt. Förmlich verheizt werden die beiden Charakterdarsteller John Leguizamo und John Turturro.

Davis' filmische Rückbesinnung auf die 80er Jahre und das Schwarzeneggersche Prinzip der Ein-Mann-Armee gegen den Rest der Welt fehlt es an jeglicher Durchschlagskraft. Es sind nicht nur mangelnde Spannung, die klaffenden Logik-Löcher des Drehbuchs und das gelangweilte, unterdurchschnittliche Spiel der Nebendarsteller, die den Film im Treibsand der Belanglosigkeit versinken lassen. Solches hat man auch früheren (und trotzdem wesentlich unterhaltsameren) Schwarzenegger-Streifen attestieren können und müssen. Es ist auch das Fehlen jenes absolut Schwarzenegger-typischen, abgrundtief zynischen und gerade darum für den Österreicher so markanten Humors. Schwarzenegger ist nicht nur zwanzig Jahre älter geworden, sondern eben auch seriöser und damit schlicht langweiliger. Im Zeitalter der zelluloid-gewordenen Political Correctness kann er nicht mehr seinem Gegner im Final Showdown ein gusseisernes Rohr durch den Brustkorb stoßen, ihn damit an eine Gasleitung nageln und sich dann von dem Hochdruck-Perforierten mit dem knochentrockenen Oneliner verabschieden: "Lass mal Dampf ab." Oder einen Gangster in einem Flugzeug das Genick brechen und einem Mitpassagier auf den Weg geben: "Bitte stören Sie meinen Freund nicht. Er ist todmüde." Während sich Schöngeister damals entsetzt abwandten, war es für die breite Masse der Fans Kult, so hart und so kaltschnäuzig wie Arnold zu sein. Das Prinzip Arnold bedeutete: Kampf bis auf die Knochen, Feuer aus allen Rohren und dazwischen ein trockener Oneliner. Der Krieg war die Regel, der Waffenstillstand der Ausnahmefall. Zum letzten Mal hat der Österreicher 1996 in dem vielfach zu Unrecht geschmähten "Eraser" so einen harten Hund gespielt - es war ein Schwanengesang.

Heute sind Schwarzenegger-Filmfiguren biedere Durchschnittstypen, Hubschrauber-Piloten wie in "The 6th Day" oder Feuerwehrmänner wie in "Collateral Damage", dazu noch brave, liebende Familienväter, die nur, weil sie zum Äußersten getrieben wurden, über sich hinauswachsen. Und hier beginnen jene darstellerischen Gefilde, in denen ein Arnold Schwarzenegger eben trotz aller innigen Bemühungen weder besonders glaubhaft noch sonderlich interessant wirkt. Schwarzenegger will nicht mehr imponieren, er will gefallen - es kann nicht funktionieren. Noch dazu fehlen in "Collateral Damage" all jene selbstreferenziellen Witze, die vor allem "Last Action Hero" und "True Lies" so unterhaltsam machten.

Mit Arnold Schwarzenegger verhält es sich ähnlich wie mit Sharon Stone: Es schmeichelt ihm die Gnade der unwidersprochenen Behauptung. Von Sharon Stone geht die Legende, sie sei mit einem geradezu überirdischen Intelligenzquotienten gesegnet, und von Arnold behaupten auch heute noch einige, er sei ein guter Actiondarsteller. Das mag in den 80ern gegolten haben, als sein fortwährender Kampf mit der Schauspielkunst ihn geradezu prädestinierte, die Rolle eines todbringenden Androiden und einige Jahre später dessen etwas gutartigeres Nachfolgemodell zu spielen. Oder einen Dschungelkämpfer, dem es nur durch Maskerade aller menschlichen Eigenschaften gelingt, ein außerirdisches Monstrum zu überwinden um diesem im Todeskampf zu attestieren: "You're one ugly motherfucker!" Schwarzenegger war auf plausibel unwirkliche Art authentisch. Doch wir leben inzwischen im 21.Jahrhundert, und modernen Action-Darsteller wird inzwischen ebenfalls ein Minimum mimischer Überzeugungskraft abgefordert

Was bleibt von "Collateral Damage"? Die Einsicht, weder einen guten Andrew-Davis- noch einen guten Schwarzenegger-Film gesehen zu haben. Und unser aller Arnold? Er avanciert damit auch als Schauspieler zu dem, was er in "Collateral Damage" bereits als Filmfigur ist: Ein großer, unendlich trauriger Hüne, dem inzwischen jegliche Attitüde des martialischen Actionhelden abgeht und den man eigentlich nur noch tröstend in den Arm nehmen möchte.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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